FC Porto – FC Bayern München 3:1 (2:1)

Christopher Trenner 15.04.2015

Falls ihr es verpasst habt:

Pep Guardiola waren aufgrund der vielen Ausfälle die Hände gebunden. Daher änderte er im Vergleich zum Spiel gegen Eintracht Frankfurt die Aufstellung nur auf wenigen Positionen. Manuel Neuer hütete erwartungsgemäß wieder das Tor im Estádio do Dragão. Auch Boateng kehrte wieder ins Team zurück – nominell für Weiser, aber natürlich als Innenverteidiger. Dafür spielte Rafinha auf seiner angestammten rechten Abwehrseite. Neben Boateng spielte Dante, da wohl Pep Guardiola bei Badstuber kein Risiko nach seiner kleinen Verletzungspause eingehen wollte. Somit fehlten zum zweiten Mal in den letzten 50 Champions League Spielen sowohl Franck Ribery als auch Arjen Robben. Das letzte Spiel ohne die beiden Flügelspieler endete 2011 0:2 in Manchester.

Auf Seiten von Porto stand etwas überraschend Toptorjäger Jackson Martinez tatsächlich in der Startelf. Er litt an einer Adduktorenverletzung und sein Einsatz war mehr als fraglich. Der kolumbianische Kapitän steuerte in dieser Saison in 35 Spielen 26 Tore und 6 Vorlagen bei – kurzum: Martinez ist der Dreh- und Angelpunkt im Spiel von Porto. Ansonsten spielte auch Porto wie erwartet. Spannend war höchstens noch die Rolle des zweiten Innenverteidigers neben Maicon. Diese wurde ausgefüllt von Martins Indi.

Die Partie stand bereits nach 80 Sekunden unter keinem guten Stern. Der hinlänglich gelobte Jackson Martinez eroberte die Kugel von Alonso, stürmte auf Neuer zu und wurde von diesem gefoult. Ein berechtigter Foulelfmeter und auch ein wenig Glück für Manuel Neuer, da Referee Carlos Velasco Carballo nicht auf Notbremse entschied. Quaresma verwandelte den Strafstoß sicher ins linke untere Eck. Noch in der Anfangsphase hatte Lewandowski nach einer Freistoßflanke und Ablage von Müller per Kopfball die Chance zum Ausgleich, allerdings konnte er den Ball nicht mehr mit der nötigen Wucht drücken. Es sollte die beste Standardsituation im Spiel der Münchner bleiben. In der 10 Minute war die Partie bereits vorentschieden. Diesmal war es Dante, der als letzter Mann den Ball nahe der Mittellinie an Quaresma verlor. Der Torschütze bewahrte vor Neuer die Nerven und brachte Porto somit endgültig auf die Siegerstraße.

Erst nach 20-25 Minuten bekamen die Bayern die Partie besser in den Griff, wobei nach dem klaren Rückstand auch eine große Ungeduld erkennbar war – so wurden einige riskante Linienpässe gespielt, die von Porto gut antizipiert wurden, glücklicherweise aber nicht in Kontersituationen endeten. In der 28. Minute kam der FC Bayern mit seiner zweiten Chance zum Anschlusstreffer. Boateng brach nach einer umständlich ausgeführten Ecke auf der rechten Außenbahn durch und flankte von der Grundlinie flach und scharf in den Strafraum. Am zweiten Pfosten stand Thiago völlig frei drückte die Kugel artistisch aus kurzer Distanz zum Anschlusstreffer über die Linie. Von da an verflachte aber die Partie, da Porto das Risiko immer weiter minimierte. Bis zum Halbzeitpfiff konnte keine Mannschaft eine weitere nennenswerte Aktion heraus spielen.

Porto veränderte sein Grundsystem nach der Halbzeit nicht, stand aber nicht mehr 40 Meter mit der letzten Linie vor dem Tor sondern eher 20-25 Meter. Dies änderte aber nichts an den überfallartigen Nadelstichen der Portugiesen. Vor allem die körperliche Präsenz von Jackson Martinez setzte allen Bayernspielern in der Defensive zu.

Pep Guardiola änderte wenig und beließ es beim 4-3-3 Grundsystem, dass situativ zum 4-1-2-1-2 wurde. Alonso agierte über weite Strecken der Partie als Pendelspieler zwischen Mittelfeld und abkippenden Sechser, da Dante und Boateng sichtlich Unterstützung im Spielaufbau benötigen. Dies schien anders geplant zu sein, da Alonso häufig unsicher und nur im ‚Notfall‘ versuchte (meist Dante) zu unterstützen. In der Summe half aber auch das Abkippen von Alonso nicht, den Spielaufbau in Gang zu bringen und die ‚erste Linie‘ von Porto zu überspielen. Als Folge der starken Mannorientierung von Porto waren die Abstände zwischen allen Mannschaftsteilen zu groß – Müller, Götze und Thiago hingen in der Luft. Der Abstand von Lewandowski zur Abwehr war phasenweise auch sehr groß. Pep Guardiola versuchte dieses Problem in der 56. Minute durch den ersten Wechsel zu lösen. Er brachte Rode etwas überraschend für Mario Götze. Diesem gelang bis dato wenig, er war aber einer der wenigen Spieler im Mittelfeld, die zumindest in der Theorie den besseren Fitnessstand gehabt hätten als Lahm oder Thiago, die spätestens ab der 60.- 65. Minute platt wirkten. Nachdem sich alles auf ein 2:1 einzupendeln schien, gelang Porto ein weiterer Treffer nach einem individuellen Aussetzer. Boateng unterlief eine Halbfeldflanke aus dem Mittelfeld (!), woraufhin die Kugel bei Jackson Martinez landete, der Neuer umkurvte und gekonnt zum 3:1 einschob.

Pep Guardiola versuchte mit dem einen weiteren Wechsel noch den Anschluss zu erzielen, Badstuber kam für Alonso. Mit Boateng als Sechser ging es in die Schlussphase, das Mittelfeld sollte so weiter gestärkt werden. Guardiola baute am Ende auf ein 4-2-3-1 Grundsystem mit Boateng und Rode als Doppel-Sechs. Dieses Duo wirkte aber wenig eingespielt und die Abstände zwischen beiden Spielern passten fast nie. Daher konnten konnten sich die Münchner keine weitere Torchance erspielen und vergaben obendrein noch eine handvoll Standardsituationen leichtfertig. Nun geht es mit einem großen Rückstand ins Rückspiel am kommenden Dienstag.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Portos Mannorientierung

Es passiert Pep Guardiola selten, dass sein Team falsch eingestellt bzw. vom Gegner überrascht wurde. In den ersten 10 – 15 Minuten war es aber ausgerechnet zum denkbar unpassenden Zeitpunkt der Fall. Vom Start weg orientierte sich Porto in der Defensive sehr stark auf den Mann und spielte im Mittelfeld eine fast klassische Manndeckung – zumindest gegen Götze, Lahm und Thiago. Diese Taktik überraschte die Münchner dermaßen, dass deren Aufbau im 1. Drittel massiv gestört war. Namentlich Bernat und Dante spielten sich vor dem Fehler zum 0:1 den Ball 2-3 mal quer und wirkten überfordert mit der Ausrichtung Portos. Alonso erkannte die Situation und versuchte sich zwischen die beiden Innenverteidigern fallen zu lassen, dann war es aber schon zu spät. Martinez griff aus der Manndeckung heraus gezielt Alonso an – die Falle schnappte nach nur 80 Sekunden zu.

Ähnliche Situation beim zwischenzeitlichen 2:0 durch Porto: Alle Anspielstationen der Bayern im Mittelfeld waren zugestellt – Rafinha wird auf der Rechtsverteidiger Position gut gepresst und spielt einen etwas riskanten Ball auf Dante (anstelle von Boateng oder Neuer). Quaresma erkennt die Situation und läuft Dante so an, dass er keine Chance hat den Ball ins Mittelfeld zu spielen. Die schlechte Ballannahme von Dante erleichterte Quaresma schlussendlich den Ballgewinn.

Porto nutzte in den ersten 10-15 Minuten die heute mangelnde individuelle Klasse der Bayern aus. Eigentlich lässt sich eine Mannorientierung/Manndeckung einfach bespielen, und zwar dann, wenn man selbst Dribblings für sich entscheidet und Zweikämpfe gewinnt. Sofort öffnen sich Räume und Überzahlsituationen, da der Gegner durch die Fixierung auf dem Mann im Regelfall schlechter steht. Erst mit zunehmenden Spielverlauf gelang es den Bayern die physische Präsenz von Porto in den Griff zu bekommen. Die Blau-Weißen gewannen in der ersten Halbzeit 60 % aller Zweikämpfe. Desaströser war die Bilanz aus Bayernsicht in den ersten 20 Minuten – mit nur 11 % gewonnen Tackles und 0 % gewonnener Kopfballduelle. Erst im Verlaufe der Partie kam der FC Bayern besser rein – vor allem Thiago, Götze und Lewandowski gewannen Zweikämpfe und konnten Bälle besser behaupten. Porto reagierte und wechselte fortan immer häufiger in ein klareres 4-5-1 Grundsystem, welches aber noch immer stark mannorientiert war und von den Bayern in der Summe 90 Minuten lang nicht geknackt werden konnte. Am Ende kam die Elf von Pep Guardiola auf keine 10 Torschüsse. Die fehlende individuelle Klasse von Ribery und Robben nutze Porto geschickt aus.

2. Das Problem-Mittelfeld

Ungeachtet der Probleme die im Punkt 1. beschrieben wurden, litt das Bayernspiel unter der fehlenden Präsenz im Mittelfeld. Gerade in den ersten 20-25 Minuten, aber auch im späteren Spielverlauf fanden Alonso, Lahm und Thiago nicht bzw. nur unzureichend ins Spiel. Alonso hatte nicht zum ersten Mal spürbare Probleme mit einem sehr physischen Spiel gegen ihn. So vertändelte er am Ende der Fehlerkette beim 1:0 den Ball und auch in einer ähnlichen Szene in der 51. Minute verlor er den Ball am eigenen Strafraum. Trotz aller taktischen Erklärungen natürlich unwürdig für ein Champions League Viertelfinale. So sehr Alonso in der ersten Saisonphase geholfen hat die Verletzungen von Martinez, Thiago und Schweinsteiger zu kaschieren, so sehr ist seine DNA zur Zeit entschlüsselt. Die Gegner wissen, wie sie ihn unter Druck setzen können. Zudem fehlt in der vorentscheidenden Phase der Saison die mentale Frische. Seine Zahlen wiederum lesen sich ordnetlich – 95% Passqoute, 79 Ballkontakte und 67% Zweikampfquote. Allerdings hat er den wichtigsten Zweikampfs des Abends verloren.

Ähnlich zeigt sich die Gemengelage bei Philipp Lahm, der zur Zeit spielt, wie ein 31-Jähriger nach einer langen Verletzung… Er tut sich sichtlich schwer das Tempo über volle 90 Minuten zu gehen. Sinnbildlich dafür war ein Balleroberungsversuch in der 38. Minute. Lahm grätscht halb übermotiviert, halb unbeholfen im Mittelkreis nach dem Ball, doch er trifft nur seinen Gegenspiel Casemiro und bekommt folgerichtig die gelbe Karte. So finden sich im gesamten Spiel viele kleine Szenen die beispielhaft für die fehlende körperliche und vielleicht auch geistige Frische bei Philipp Lahm nach der der langen Verletzungspause stehen.

Thiago bildet aktuell die Ausnahme im Bayern Mittelfeld. Zunächst ähnlich wie viele seiner Mitspieler nur schwer in die Partie gekommen, versuchte er das Spiel zunehmend an sich zu reißen. Dies gelang ihm ordentlich, aber nicht mehr. Angesichts von 13 Monaten Fußballabstinenz sind 40 % Zweikampfquote nicht wirklich überraschend und dennoch Teil des Problems. Thiago versuchte viel, aber ihm gelang nicht genug. Immerhin erzielte er den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer zum 2:1, der angesichts des Endergebnisses noch Resthoffnungen fürs Rückspiel offen lässt.

3. Individuelle Fehler

In der Summe sind drei provozierte individuelle Fehler, die zu direkten bzw. indirekten Gegentoren führten zu viel. Unabhängig von den bereits erwähnten Fehlerketten die zu allen drei Gegentoren führten, gab es aber noch eine Vielzahl weiterer individueller Fehler, die auf dem Niveau Champions League von nahezu jedem Gegner bestraft werden. Da ist es ausgerechnet Jerome Boateng, der eine harmlose Flanke aus dem Mittelfeld unterläuft, obwohl er bisher eine nahezu fehlerfreie Saison spielt. Und auch andere Spieler erreichten nicht das nötige Niveau an diesem Abend. So hatte auch Manuel Neuer spürbar Probleme ins Spiel zu finden. In der ersten Halbzeit hatte er nahezu jede Flanke unterlaufen und in der zweiten Halbzeit beinahe ein Fernschusstor aus 60 Metern durch einen schlechten Abschlag provoziert. Hinzu kamen eine Reihe von Fehlern im Spielaufbau, nicht nur von Neuer, die den Spielrhythmus sichtlich störten.

Auch die 21 Fouls der Bayern zeigen schlussendlich wie viele Aussetzer die Elf von Pep Guardiola im gesamten Spiel hatte. Fouls helfen in der Regel nur, um Fehler und schlimmere Folgen zu verhindern. Gegen den FC Porto waren jedoch viele taktische Foulspiele nötig, um die Portugiesen überhaupt zu stoppen. Zu schlecht und zu überhastet war an vielen Stellen die Zweikampfführung. Schnelle Ballgewinne waren daher eine Seltenheit. Die Mannschaft zeigte zwar über weite Teile der Partie den nötigen Willen, doch behinderte sich durch die beschrieben Fehler immer wieder selbst. Es wirkte fast so, als war der FC Bayern nicht bereit für das Champions League Viertelfinale.

Der Kader geht sichtlich auf dem Zahnfleisch. Es bleiben aber nur 6 Tage und ein Bundesligaspiel in Hoffenheim Zeit, den 2-Tore Rückstand zu drehen und den Traum von Berlin am Leben zu halten. Pack ma’s!

FC Porto – FC Bayern München 3:1 (2:1)
FC Porto Fabiano – Danilo, Maicon, Martins Indi, Alex Sandro – Herrera, Casemiro, Torres (75. Neves) – Quaresma (85. Evandro), Martínez, Brahimi (80. Hernani)
FC Bayern Neuer – Rafinha, Boateng, Dante, Bernat – Alonso (74. Badstuber) – Lahm, Thiago – Müller, Lewandowski, Götze (56. Rode)
Bank Reina, Lucic, Weiser, Gaudino, Pizarro
Tore 1:0 Quaresma (3./Foulelfmeter), 2:0 Quaresma (10.), 2:1 Thiago (28.), 3:1 Martínez (65.)
Karten Gelb: Casemiro, Alex Sandro, Danilo / Neuer, Bernat, Lahm, Rode
Zuschauer 50.092 (ausverkauft)
Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo (Spanien)