FC Bayern München Frauen - SC Sand (2:0), November 2015

FC Bayern München Frauen – SC Sand 2:0 (2:0)

Jolle Trenner 16.11.2015

Der Überraschungsdritte aus Sand war zu Gast zum Top-Spiel in der Münchner HGK und hatte vorab mit Siegen gegen Wolfsburg und Potsdam von sich reden gemacht. Gegen die Bayern endete die Rolle als Favoritenschreck allerdings. München setzte mit zwei Standardtoren in der ersten Halbzeit alle Zeichen auf Sieg und ließ nach hinten raus nichts mehr anbrennen. Damit stehen sie weiterhin souverän auf dem ersten Platz der Tabelle. Wolfsburg konnte sich mit einem 4:0 gegen Essen wieder an die Spitze der Verfolger vorarbeiten. Frankfurt dagegen nutze die Niederlagen von Sand und Essen nicht für einen Sprung von Platz 5 nach oben, sondern unterlag seinerseits dem SC Freiburg überraschend deutlich mit 4:0.

Fun-Fact: Bei den Bayern standen neben vier deutschen Spielerinnen jeweils eine aus Finnland, den USA, der Schweiz, Norwegen, den Niederlanden, Schottland und Österreich in der Startelf. Bei Sand waren es neben den zwei großen Fraktionen aus Deutschland (3 + 2 Halbe) und der Slowakei (3 + 1 Halbe — man verzeihe mir die Zerteilung), eine Österreicherin, eine Schweizerin, eine US-Amerikanerin sowie eine halbe Französin.

So stellten die Trainer auf

Im Vergleich zum Pokalsieg gegen Frankfurt, den die Bayern mit der schweren Verletzung von Nicole Rolser bezahlt hatten, rotierte Thomas Wörle Lisa Evans in die Startformation. Die Aufstellung bot keinerlei Überraschungen:

FC Bayern München Frauen - SC Sand, StartformationenFC Bayern München Frauen – SC Sand, Startformationen


Tinja-Riikka Korpela im Tor, Dreierkette mit Viktoria Schnaderbeck auf der linken, Caro Abbé auf der rechten und Nora Holstad auf der zentralen Verteidigerposition. Links gliederte sich ballfern Gina Lewandowski in die Abwehrreihe, rechts Leonie Maier. Offensiv hielten diese zwei Flügelverteidigerinnen die Breite an den Außenlinien. Im zentralen defensiven Mittelfeld zogen Melanie Behringer und Melanie Leupolz die Fäden. Während sich Behringer in den tieferen Zonen aufhielt und zentral als Relaisstation für Seitenverlagerungen fungierte, stellte Leupolz häufiger die Verbindung in die Offensive her und schob für Kombinationen und Überzahl in Ballnähe auch weit raus auf den Flügel. Davor agierte die flexible Dreieroffensivreihe. Auf den Halbpositionen in den Halbräumen etwas zurückgezogen meist Sara Däbritz und Lisa Evans, die wie immer häufig rochierten und in der Sturmspitze, aber ebenfalls zurückfallend und pendelnd, Vivianne Miedema.

Gästetrainer Alex Fischinger bot dagegen eine spannende 3-1-4-2-/ 4-1-3-2-Mischvariante auf, die aus einer 4-4-2-Grundordnung entstand und bei der die Deutsch-Französin Claire Savin auf der rechten Flanke zwischen den Positionen der rechten Außenverteidigerin und dem rechten offensiven Mittelfeld pendelte. Fand sie sich in der Viererkette ein, bildeten Chioma Igwe und Julia Zirnstein die Innenverteidigung; Cecilie Sandvej verteidigte links. Rückte Savin in Ballbesitz auf, so schoben die anderen drei nach rechts, so dass Igwe die Zentrale einer Dreierkette gab. Direkt davor übernahm Anne van Bonn als Pivotspielerin die strategisch wichtige Position der alleinigen Sechs. Vor ihr auf den Achterpositionen starteten Dominika Škorvánková und Angela Migliazza, die links von Jana Vojteková und rechts wie erwähnt von Savin flankiert wurden. Im Doppelsturm spielten Nina Burger und Jovana Damnjanović. Gegen den Ball zog sich Sand meist in ein 4-3-1-2 zurück.

Sand ohne Durchschlagskraft, Bayern dominant

Obwohl Sand zeigte, dass es nicht zufällig oben in der Tabelle mitmischt und alles mitbrachte, um gegen die Roten zu bestehen — gute Fußballerinnen, die sich geschickt und diszipliniert positionierten, in Ballnähe Überzahlen herstellten, offensiv mit wenigen Kontakten kombinierten und defensiv unerschrocken wie hartnäckig in die Zweikämpfe gingen — nahmen die Bayern von Beginn an das Heft in die Hand und spielte sich Torchancen heraus. Sand kam dagegen in der ersten Halbzeit nicht zu einer einzigen nennenswerten. Besonders die Schnittstellenpässe am gegnerischen Strafraum und die Freistöße Behringers sorgten in steter Regelmäßigkeit für Gefahr, selbst dann, wenn sie weit ab vom Tor getreten wurden. Den Assist zum 1:0 lieferte Behringer beispielsweise durch einen Standard aus einer Position gerade so in der gegnerischen Hälfte an der Mittellinie, fast im Seitenaus. Der Ball segelte flach in den Strafraum über Abbé hinweg, Lewandowski nickte ein zum 1:0 (11.). Derselbe Ablauf hätte fast schon in der fünften Minute zum Erfolg geführt. Das 2:0 besorgte Behringer dann selbst per Foulelfmeter (16.) trocken und flach ins rechte untere Eck. Zuvor hatte sich Caro Abbé vorne im rechten Halbraum in den Angriff eingeschaltet und den Ball auf Evans in den Strafraum durchgesteckt, wo die Schottin geblockt zu Boden ging.

Und Bayern erarbeitete sich weitere Chancen: Zum Beispiel, als sie auf der rechten Flanke Überzahl schufen, den Ball über Behringer auf die links nachstoßende Lewandowski verlagerten, die erst im Strafraum im Eins-gegen-Eins scheiterte (10.). Evans schloss mehrfach im Sechzehner von links aus spitzem Winkel ab, bereitete Kober damit aber keine Probleme (20., 43.). Miedema kam 30-40 Meter vor dem Tor in vorderster Linie an den Ball, konnte aufdrehen und hatte nur noch die Distanz zwischen sich und der Torhüterin, konnte sich zu einem Sprint nach dem Vorbilde Evans’ aber nicht durchringen und entschloss sich zum (Fehl-) Pass auf Däbritz (29.). Maier wurde per abseitsverdächtigem Schnittstellenpass an der rechten Strafraumecke eingesetzt. Ihr Schlenzer aufs lange Eck ging allerdings links daneben (32.). Von der rechten Auslinie flankte Leupolz auf Verdacht vors Tor. Fast hätte Miedema per Kopf verwandeln können (34.). In der 41. Minute war Nora Holstad beim Angriff vorne mit dabei, legte ab auf Evans, deren Schuss geblockt zur Ecke führte, die wiederum eine Kopfballchance für Holstad einbrachte. Und auch Behringer durfte aus der Distanz nach Ablage von Miedema nochmal draufhalten, doch der Schuss strich rechts vorbei (45.).

Für Sand hatte Vojteková den ein oder anderen Freistoß über Korpela und die Querlatte hinweg oder ungefährlich in den Sechzehner gebracht (27., 36.). Erst nach einer guten halben Stunde gelang es den Gästen phasenweise, sich in der Hälfte der Bayern ein wenig festzusetzen. Über das zweite Spielfelddrittel kamen sie dabei jedoch kaum hinaus. Aussichtsreiche Pässe landeten im Seitenaus oder konnten vom Bayern-Defensivverbund entschärft werden. Somit wirkten die zwei Stürmerinnen ohne Aussicht auf durchschlagende Ballkontakte in höchster Linie ebenso verschenkt wie die spielstarke Igwe in der Abwehrkette. Mit 2:0 ging es in die Pause.

Sand zündet in zwei Phasen

Sand kam mit einigem Elan aus der Kabine und dem Willen, den Anschlusstreffer zu markieren — wer weiß, welche Möglichkeiten sich in diesem Falle noch ergeben würden… Die Gäste spielten nun schneller nach vorn und drehten besonders in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit ordentlich auf. Korpela hatte einen fiesen Aufsetzer aus der Distanz zu parieren und im Anschluss bewahrte nur der Abseitspfiff die Bayern vor einem gefährlichen Durchbrechen Damnjanovićs (48.). Dann kombinierten sich Škorvánková und Burger vor das Bayerntor, Holstads Klärversuch landete bei Migliazza, Damnjanović verschaffte sich durch eine tolle Körpertäuschung Platz und kam an der Grundlinie an den Ball, Holstad konnte doch noch zur Ecke klären, die eine Kopfballchance für Sand einbrachte (50.). Kurz drauf scheiterte Vojteková nur knapp mit einem Schlenzer aufs lange Eck (52.). Van Bonn probierte es aus der Distanz, nachdem sich Damnjanović und Migliazza an den Strafraum kombiniert hatten (54.).

Nur zwei Minuten später spielten sich gleich zwei Sand-Angreiferinnen in den Fünfmeterraum, doch Bayern gelang es, denn Ball irgendwie zur Ecke zu wurschteln. Die größte Chance der Gäste hatte wohl Nina Burger auf dem Fuß, die links diagonal in den Sechzehner ziehen und Korpela ins Eins-gegen-Eins zwingen konnte. Doch die Finnin verkürzte den Winkel klasse und hielt den Kasten so sauber (66.). Auch in dieser Drangphase Sands blieben die Bayern bis auf wenige Szenen ruhig, kombinierten sich sicher hinten raus und konnten selbst ein paar vielversprechende Konter fahren — zum Beispiel über Däbritz zentral, deren Schnittstellenpass rechts auf Evans sein Ziel verfehlte; auch Miedema war links mitgelaufen (59.). Eine Minute später scheiterte Lewandowski knapp (60). Viele der Bayernangriffe endeten jedoch mit dem Abseitspfiff — ein Indiz dafür, wie hoch und taktisch diszipliniert die Abwehrkette Sands nun stand.

Sand entfesselt Igwe mit der Raute

Nachdem diese Phase des Auftriebs sich für Sand noch nicht in Toren niedergeschlagen hatte,

Sand nun mit RauteSand nun mit Raute

wechselte Fischinger und stellte um. Sand spielte nun mit einer klareren Viererkette plus Raute davor, wobei Igwe als Acht im rechten Halbraum besser in die Offensive eingebunden wurde. In die Verteidigung kehrte dagegen Laura Vetterlein, vor der Saison vom VfL Wolfsburg gekommen, aus der Verletzungspause zurück. Für die umtriebige Vojteková auf dem linken Flügel kam Christine Veth ins Spiel. Fortan ging viel über die rechte Seite. Igwe machte viele vertikale Meter und rückte häufig in die Zentrale ein, wodurch zunächst Savin und später Meier aufrückte. Burger ließ sich nun häufiger ins Mittelfeld fallen und insgesamt gelang es Sand, das Zentrum zu besetzen und den Ball in die Spitzen zu spielen. Doch mit Bayern hatten sie sich einen zu starken, zu ballsicheren Gegner ausgesucht, als dass ihre Mühen hätten belohnt werden können. Moral und Kraft ließen bei den Gästen, die die komplette erste Halbzeit gegen den Wind angelaufen waren, zunehmend nach.

Auch die Bayern wechselten nochmal durch. Beckmann und Wenninger kamen in der letzten halben Stunde für Däbritz und Evans. Wenninger ging auf die alte Behringer-Position. Leupolz schob vor auf die linke Acht, Beckmann auf die rechte. Dabei agierte Beckmann ziemlich tief und weit an der rechten Auslinie, um dann weiträumige und diagonale Läufe zum Strafraum oder in die Zentrale zu machen — sowohl mit als auch ohne Ball. Als Miedema zum Schluss durch Mewis ersetzt wurde, übernahm Beckmann die Rolle als Stoßstürmerin und brachte wie immer viel Power auf den Platz. Beide Teams kamen noch zu der ein oder anderen Torchance, doch Sand konnte die Wende nicht schaffen. Bayern schonte sich etwas und spielte die eigenen Möglichkeiten nach vorne nicht mehr zielstrebig zu Ende, doch das reichte aus. Mit zwei Toren in Halbzeit 1 war das Spiel früh entschieden, weil Sand trotz guter Ansätze kein Mittel gegen Bayern fand.

3 Punkte, die auffielen

1. Normal ist das nicht

Die Roten beendeten bereits ihre fantastische Meistersaison ohne eine einzige Niederlage. Anschließend war ein großer Teil des Kaders in Kanada bei einer kräftezehrenden Weltmeisterschaft auf Kunstrasen im Einsatz, die sicher Anteil, wenn nicht Schuld daran trägt, dass weder Lena Lotzen noch Mana Iwabuchi noch Neuzugang Veró Boquete aktuell eine Rolle in der Mannschaft spielen können. Zudem ist ein Formtief, ein Einbrechen nach so einem langen Lauf die Norm, nicht dagegen, dass alles einfach weiterläuft wie am Schnürchen. Doch bis auf das Ausscheiden in der Champions League hat sich diese Mannschaft noch keinen Patzer erlaubt, noch keine Blöße gegeben. Während Turbine auf Tal- sowie Wolfsburg und Frankfurt zumindest auf Achterbahnfahrt unterwegs sind, zeigt der FC Bayern eine Konstanz unsäglichen Ausmaßes. Davor kann man nur den Hut ziehen, denn geschenkt werden ihnen die Siege nicht. Der Einbruch wird kommen, die Siegesserie wird reißen, aber die Konkurrenz darf sich auch darauf einstellen, dass dieses Team die Lasten dann auf zusätzliche namhafte Schultern verteilen können und die Reife besitzen wird, sich aus der nächsten Delle wieder herauszuarbeiten.

2. Läuft bei Lewandowski

Neben dem Tor war Lewandowski allein in diesem Spiel an mindestens drei weiteren hochkarätigen Chancen beteiligt und hat auch gegen Frankfurt das entscheidende Tor beigesteuert — nicht schlecht für eine Verteidigerin, die sich ursprünglich als Innenverteidigerin verstanden hatte. Gina Lewandowski ist in einer herausragenden Form und hat sich ihre späte Nominierung für die Nationalmannschaft redlich verdient. Der Erfolg steht ihr gut. In Wörles System der Flügelverteidigerinnen mit maximaler vertikaler Laufarbeit wirkt sie ungemein spritzig, flink und gefährlich. Fährt Bayern Angriffe über die kombinationsstarke rechte Seite, so kann sich die Verteidigung nie ganz auf das Geschehen dort konzentrieren, denn Behringer hat das Auge und den Fuß und Lewandowski macht die Wege, um per Verlagerung blitzschnell links allein auf weiter Flur an den Ball zu kommen. Vor dem Eins-gegen-Eins schrickt sie ebenfalls nicht zurück. War sie hier letztes Jahr noch als „Unsung Hero“ erwähnt worden, hat sie sich derzeit zurecht in die erste Reihe gespielt. Macht Spaß, sie in dieser Form Fußballspielen zu sehen.

3. Auch die Bayern sind nicht perfekt

Zwar legen die Roten wie angesprochen eine Serie aufs Parkett, die ihresgleichen sucht, doch auch die Bayern haben ein paar Punkte, an denen sie arbeiten können. Bislang hat das Herausspielen von Chancen jeweils ausgereicht, um zu punkten. Doch schon gegen Frankfurt waren es zwei kleine Geniestreiche und gegen Sand zwei Tore nach Standards, die den Sieg einfuhren. Das schmälert die Leistung nicht, schließlich war Evans vor dem Elfmeterpfiff per Kombination im Sechzehner freigespielt worden, doch nachlassen dürfen die Bayern in keinem Falle. Es sind keine Kantersiege, mit denen sie die Gegner vom Platz ballern. Zum Glück ist das auch nicht notwenig.

Obwohl der FCB sicher zu den spielstärksten Teams im aktuellen Frauenfußball zählt, scheiterten auch gegen Sand zahlreiche Angriffe an unsauberen Ballan- oder -mitnahmen oder Bällen, die zu weit vorgelegt wurden. Eine gewisse Passungenauigkeit gehört zwar auch zum Spiel mit Risiko, wenn offensiv viel Kreatives versucht werden soll, doch verbessern kann man sich schließlich immer. Dass saubere Spiel in Dynamik und Umschaltmomenten hat noch Luft nach oben.

Besonders in der ersten Hälfte des zweiten Durchgangs zeigte Sand, dass auch die spielstarke Bayern-Verteidigung in Verlegenheit zu bringen ist. Einige klärende Kopfbälle sorgten nur für drei Meter Raumgewinn und landeten erneut bei der Gegenspielerin. Die Bayern sind daher durchaus anfällig, sollte sich ein Gegner mal dazu entschließen, gezielt auf Balleroberungen zwischen Dreierkette und Doppelsechs zu setzen. Offensiv brachte der Doppelsturm Sands nur wenig Gewinn ein, als erste Pressinglinie im 4-3-1-2 übte er allerdings durchaus Druck auf den Spielaufbau der Bayern aus.

Vielleicht merkt man: ich such das Haar in der Suppe…

Nach Bremen im Pokal

In der Halbzeitpause loste Navina Omilade die Partien des DFB-Viertelfinales aus. Dabei werden die Bayern im Dezember nach Bremen reisen, der FC Lübars empfängt den SC Freiburg, der USV Jena den SC Sand und die Wolfsburgerinnen gastieren in Potsdam.

FC Bayern München Frauen – SC Sand 2:0 (2:0)
FC Bayern Korpela – Schnaderbeck, Holstad, Abbé – Lewandowski, Behringer, Leupolz, Maier – Däbritz (60. Beckmann), Evans (60. Wenninger), Miedema (83. Mewis)
Bank Zinsberger, Boquete, Bürki, Stengel
SC Sand Kober – Sandvej, Igwe, Zirnstein, Savin (83. Meier)- van Bonn – Vojteková (63. Veth), Škorvánková, Migliazza (58. Vetterlein) – Burger, Damnjanović
Bank Korenčiová, Stoller
Tore 1:0 Lewandowski (11.), 2:0 Behringer (16., Foulelfmeter)
Karten Gelb: Leupolz (47.), Behringer (69.) / Igwe (15.), Škorvánková (56.)
Schiedsrichterin Sina Diekmann (Lobach (Bevern), Corinna Feldmann (Neuenkirchen), Saskia Geweke (Holle)
Zuschauer 730