FC Bayern München – VfB Stuttgart 2:0 (1:0)

Steffen Trenner 13.09.2014

Falls ihr es verpasst habt: Ohne Arjen Robben, dafür mit Xabi Alonso begannen die Bayern am Samstagnachmittag gegen eine Stuttgarter Mannschaft, die nach nur einem Punkt aus den ersten beiden Spielen bereits gehörig unter Druck stand. Guardiola verzichtete im Mittelfeld auf den defensivstarken Rode und setzte mit Alonso, Alaba und Lahm auf die auf dem Papier spielstärkste Lösung im zentralen Mittelfeld. Bernat und Boateng besetzten die Außenverteidigerpositionen während Müller und Lewandowski vor Götze einen Zwei-Mann-Sturm bildeten. Stuttgart war komplett darauf ausgelegt mit Kontern über die schnellen Harnik und Werner auf den Flügeln zum Erfolg zu kommen und spielte ein sehr zurückhaltendes Pressing. Bayern überließ den Schwaben nur selten den Ball und zog ein nicht immer fehlerfreies, dafür häufig zielstrebiges Passspiel auf. Weil Stuttgarts Viererkette sehr gut stand, fehlte Bayern häufig die Durchschlagskraft. Zwar zwang Müller Ulreich mit einem Kopfball zu einer Glanztat – richtig viel Torgefahr gab es aber auf beiden Seiten zunächst nicht. Es brauchte einen Freistoß von Alonso, den Stuttgart nicht klären konnte und einen Geniestreich von Götze, der im Nachsetzen zum 1:0 traf (27.), um die Bayern auf die Siegerstraße zu bringen.

Das Spiel plätscherte dann über weite Strecken vor sich hin. Badstuber musste mit einer Muskelverletzung früh raus und Bayern ließ sich bis auf einige wenige Konter und Standardsituationen nicht aus der Ruhe bringen. Als alles nach einem 1:0-Sieg aussah, erhöhte der eingewechselte Ribéry spät auf 2:0 (85.). Dabei blieb es. Für den FC Bayern beginnt spätestens am Mittwoch mit dem Auftakt in die Champions League die erste richtig wichtige Saisonphase.

3 Dinge, die auffielen:

1. Fokus auf die offensiven Halbräume

Viele erwarteten bei der Bekanntgabe der Aufstellung eine „klassische“ Dreierkette mit den nominellen Innenverteidigern Boateng, Dante und Badstuber. Was die Münchner dann über weite Strecken zeigten war aber deutlich weniger klar zu dechiffrieren. Wie so häufig in der Guardiola-Ära war Bayerns formative Ausrichtung ein Hybrid. Auch wenn immer mal wieder Dreierketten entstanden, agierten Bernat und Boateng eher als klassische, offensiv ausgerichtete Außenverteidiger. Gerade Boateng zog Werner durch frühes Aufrücken immer wieder weit in die Defensive und bespielte die rechte Außenbahn fast allein. Nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Badstuber wurde dies mit Lahm auf der rechten defensiven Außenbahn noch klarer. Im Angriff agierten Müller und Lewandowski derweil häufig auf einer Linie. Auch dadurch schafften es die Münchner gegen Stuttgart die bekannten Überzahlsituationen im Zentrum etwa 20 Meter weiter nach vorn zu verschieben.

Während Alonso alleine die 6er Position beackerte, besetzten Lahm (später Gaudino), Alaba und Götze unterstützt von den vorschiebenden Außenverteidigern gerade nach Ballgewinn sehr schnell die Halbräume hinter den beiden Angreifern. Weil sich Müller und Lewandowski dazu noch häufig fallen ließen, entstanden ca. 30 Meter vor dem Stuttgarter Tor viele spannende Überzahlsituationen, die Bayern aber zu inkonsequent ausnutzte. Zwei Halbchancen von Müller (52) und Alaba (59.) entstanden aber genau aus schnellen Kombinationen in diesen Räumen. Guardiola verfolgte einen ähnlichen Ansatz bereits im Vorjahr, als er zu Beginn der Saison mit seinem 4-1-4-1 genau diese Halbräume im Achter und Zehnerraum attackierte. Der Ansatz ist richtig, weil er Bayerns Ballbesitz-Schwerpunkte so automatisch aus dem 6er in den 10er Raum verlagert und damit potenziell mehr Torgefahr erzeugt. Der Bayern-Coach sollte weiter an diesem Ansatz arbeiten – vor allem weil das optimale Spielermaterial (Thiago!!) momentan noch fehlt.

2. Viel Stabilität – wenig Kreativität

Es war durchaus sichtbar, dass dem FC Bayern ohne Ribéry, Robben und Thiago kreative Elemente im Spiel nach vorne fehlten. Xabi Alonso, Lahm, Alaba, Bernat und Boateng sorgten im Verbund für eine extreme Stabilität, die Stuttgarts Konterspiel komplett erstickte – so richtig kreativ nach vorn wurde aber keiner von ihnen. Vor allem Alaba wirkt in der zentraleren Rolle nach wie vor ein wenig verschenkt. Wertvoll ist der Österreicher meist dann, wenn er mit Tempo und großer Dynamik Richtung Tor bzw. Grundlinie zieht. Im Zentrum entstehen diese Situationen so gut wie nie. Alabas Passspiel ist zwar gut, aber auch nicht so sicher und dominant, dass es er in Spielen wie diesen den Unterschied ausmachen kann. Bis auf zwei bis drei gute Szenen in Strafraumnähe in der zweiten Hälfte blieb Alaba insgesamt recht wirkungslos im Spiel nach Vorne. So blieb es neben Götze und Müller fast ausschließlich Xabi Alonso vorbehalten mit aufreißenden Diagonalbällen oder geschickten Tempoverschärfungen für ein paar kreative Momente zu sorgen. Ohnehin war Alonso eindeutig der beste Münchner am Samstagnachmittag. Die meisten Kilometer (11,8), mit Abstand die meisten Ballkontakte (150), die meisten Pässe (119) und ein Lattenschuss unterstreichen seine gelungene Vorstellung. Alonso trat auch fast alle Standards und war verbal ebenfalls der klare Anführer auf dem Platz.

Der in der 43. Minute eingewechselte Gaudino wirkte übrigens zum ersten Mal etwas überfordert mit Tempo und Robustheit in der Bundesliga. Gaudino hatte in 47 Minuten gerade einmal 29 Ballkontakte und setzte nur zu zwei Sprints an. Bis auf eine gute Szene bei einem Alaba-Fernschuss lief das Spiel ziemlich an ihm vorbei. Das Mittelfeldzentrum bleibt auch deshalb ein „work in progress“.

Mut macht der sehr engagierte Kurzauftritt von Ribéry, der das 2:0 erzielte und insgesamt an drei guten Chancen beteiligt war. Dass der Gastgeber in den 22 Minuten nach seiner Einwechslung mehr Chancen herausspielte als in den 68 Minuten zuvor, ist durchaus ein Indiz für die zuvor beschriebenen Probleme der Bayern in Sachen Kreativität.

3. Bernat findet seine Rolle

Juan Bernat bestritt gegen die Schwaben sein drittes Pflichtspiel von Anfang an. Es war sein bisher bester Auftritt im Bayern-Dress. Guardiola stattet seine Außenverteidiger im Moment mit extrem vielen Freiheiten im Offensivspiel aus. Auch weil die nominellen Außenspieler im Mittelfeld stark eingerückt agieren. Bernat, der in der Vorbereitung und zum Saisonstart gelegentlich noch etwas überwältigt von den Anforderungen wirkte und insgesamt sehr wenig Risiko ging, scheint seine Rolle immer mehr zu finden. Der 21-Jährige hatte einige vielversprechende Vorstöße, absolvierte die meisten Sprints (32) und gewann bemerkenswerte 14/22 Zweikämpfen (63%). Vor allem seine defensive Sicherheit und Zweikampfstärke ist dabei ein wichtiges Zeichen – gab es bei seinem Wechsel doch vor allem hier ein paar Fragezeichen. Offensiv darf der Juniorennationalspieler dagegen durchaus weiter mutiger werden und seine vielversprechenden Tempodribblings häufiger einstreuen. Insgesamt scheint sich aber zu bestätigen, dass er eine sehr gute Ergänzung auf einer auch international dünn besetzten Position werden kann.

FC Bayern München – VfB Stuttgart 2:0 (1:0)
FC Bayern München Neuer – Bernat, Dante, Badstuber (43. Gaudino), Boateng – Xabi Alonso, Alaba, Lahm – Götze (68. Ribéry) – Lewandowski (87. Pizarro), Müller
VfB Stuttgart Ulreich – Sakai, Rüdiger, Schwaab, Klein – Romeu, Gentner – Werner, Leitner, Harnik – Ibisevic
Bank Starke, Benatia, Rode, Shaqiri, Pizarro
Tore 1:0 Götze (27.), 2:0 Ribéry (85.)
Karten Romeu, Alonso (Gelb)
Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer
Zuschauer 71.000 (ausverkauft)