FC Bayern München – Bayer Leverkusen 3:1 (2:0)

Justin Trenner 18.08.2017

Carlo Ancelotti entdeckte beim Supercup eine neue Alternative, um sein ursprüngliches 4-3-3 mit dem zuletzt eingeführten 4-2-3-1 zu verbinden. Gegen Leverkusen sollte er erneut auf diese Variante zurückgreifen.

Falls Ihr es verpasst habt:

Der Italiener musste auf Neuer, Thiago, Boateng, Martínez, James und Bernat gänzlich verzichten. Vor Ulreich liefen deshalb Kimmich, Süle, Hummels sowie Alaba auf, der sein Comeback gab. Davor wurde es interessant.

FC Bayern München vs. Bayer Leverkusen, Grundformationen 1. HalbzeitBayern vs. Leverkusen, Grundformationen

Während Vidal und Rudy klar im Zentrum spielten, agierte Tolisso eher absichernd für Kimmich. Der Franzose wich immer wieder auf den Flügel aus, wie schon gegen Borussia Dortmund. Die Offensive wurde von Ribéry, Lewandowski und Müller komplettiert. Letzterer zentraler, als man beim ersten Blick auf die Aufstellung vielleicht dachte. Für Coman, der in der Vorbereitung glänzte, blieb zunächst kein Platz frei.

Bei den Gästen gab es keine großen Überraschungen. Das Grundsystem war ein 4-2-3-1 bzw. 4-4-2 gegen den Ball. Sven Bender gab sein Debüt und auch Kohr spielte von Anfang an. Die Offensive war mit Volland und Bellarabi vielversprechend besetzt, während Julian Brandt nur auf der Bank blieb. Auch Kampl durfte nicht von Anfang an ran, obwohl gerade er in der Vorbereitung immer wieder um Stabilität bemüht war.

Bevor angepfiffen wurde, gab es eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlags in Barcelona. An dieser Stelle sei auch unser Mitgefühl für die Angehörigen erwähnt.

Leverkusen begann mit dem erwartet hohen Mittelfeldpressing. Kein extrem risikoreiches Angriffspressing, aber die Münchner sahen sich sofort unter Druck gesetzt und die Gäste standen eben nicht ganz hinten drin.

Die erste Chance hatten jedoch die Bayern. Nach Ballgewinn Alabas landete der Ball schließlich bei Tolisso, der für die erste Ecke des Spiels sorgte (5.). Der Matchplan der Münchner wurde direkt deutlich.

Über links zogen sie die Leverkusener auf ihre Seite, um dann mit einer Seitenverlagerung Kimmich zu suchen oder mit Ribéry durchzubrechen. Wie schon im Supercup wusste der Rechtsverteidiger mit seinem Platz viel anzufangen.

Das erste Tor der Saison fiel jedoch über die andere Seite. Es war quasi eine Hoffenheimer Kombination, die zur Führung führte. Rudy brachte einen Freistoß in den Strafraum, der wiederum von Niklas Süle verwertet wurde (10.). Ein großartiges Debüt für beide.

Leverkusen gelang der Gegenschlag in der 12. Minute nicht. Mehmedi verpasste innerhalb des Sechzehners deutlich. Bis auf diese Szene hatten die Bayern ihren Gegner aber zunächst klar im Griff.

Gefahr gab es jedoch erstmal fast nur durch Standards. So auch beim schnellen Treffer zum 2:0, den Tolisso nach einer Kimmich-Ecke besorgte. Vorlagengeber war allerdings Vidal, dem ein Torschuss über den Spann rutschte. Der Franzose stand schließlich goldrichtig (19.).

Beinahe wäre Tolisso sogar zum Doppeltorschützen geworden. Nach einer schönen Kombination scheiterte der Neuzugang jedoch am Pfosten. Glück für Leverkusen, die dem dominanten Auftritt des FC Bayern nichts entgegenzusetzen hatten. Außer vielleicht Leno, der in der 27. Minute das 3:0 durch Thomas Müller gerade so verhinderte. Es wäre vermutlich schon die Vorentscheidung gewesen.

Die Phase danach war erstmals etwas offener. Leverkusen bekam Ballbesitzphasen, wusste damit aber nicht viel anzufangen. Bayerns Zug zum Tor ging ebenfalls etwas verloren. Vielleicht auch etwas bedingt durch die neuen Bedingungen, denn am Ende der ersten Halbzeit fing es an stark zu regnen und auch der Wind nahm massiv zu.

Im wahrsten Sinne des Wortes plätscherte der erste Durchgang deshalb so dahin und es ging mit dem verdienten 2:0 in die Pause. Aufgrund eines Gewitters wurde zudem die zweite Halbzeit um einige Minuten verschoben, was zumindest die Wahrscheinlichkeit für eine Wendung des bisher klaren Spielverlaufes nicht reduzierte.

Leverkusen wechselte zur Pause zweifach. Brandt und Dragovic kamen für Bailey und Bender, der sich anscheinend verletzte. Nach langer Pause wurde das Spiel gegen 21:55 Uhr wieder angepfiffen.

Die Gäste kamen etwas druckvoller aus der Kabine, erarbeiteten sich die erste Ecke der zweiten Halbzeit, konnten diese jedoch nicht verwerten (46.). Der Regen schien zumindest nicht stark genug zu sein, um das Spielgerät allzu bedeutsam auszubremsen. Eine Umstellung waren die Bedingungen trotzdem für beide Teams.

Leverkusen spürte, dass sie etwas besser aus der Kabine kamen und erhöhte somit auch den Druck im Pressing. Die nächste Chance vergab Volland aus spitzem Winkel (49.).

Gegen den Spielverlauf gab es dann aber den nächsten Dämpfer für Bayer 04. Der Videobeweis half den Münchnern zu einem berechtigten Elfmeter, den wiederum Lewandowski sicher verwandelte (53.). Somit kam die neue Technik schon am ersten Spieltag zum Einsatz.

Doch beruhigen sollte sich das Spiel deshalb nicht. Leverkusen blieb dran. In der 58. Minute war es einzig Ulreich zu verdanken, dass die Werkself nicht zum 3:1 kam und auch wenig später verpasste Volland eine gute Hereingabe. Bayern ließ die Gäste unnötigerweise herankommen.

Ancelotti wechselte nach einer guten Stunde etwas durch. Robben ersetzte Müller, der viel unterwegs war und Rafinha kam wenig später für den anscheinend angeschlagenen Hummels. Eine Diagnose steht noch aus. Kimmich rückte nicht in die defensive Zentrale, weil der Brasilianer die Rolle Alabas 1:1 übernahm. Der Österreicher rückte in die Zentrale.

Bayerns Lässigkeit wurde schließlich aber doch noch bestraft. Die Münchner fanden ihren Rhythmus einfach nicht und Mehmedi erzielte das sehenswerte 3:1 für die Gäste (67.). Leverkusen war nun klar das bessere Team und die Bayern nur noch über Konter gefährlich.

Robben und Ribéry vertändelten sich jedoch zu häufig und auch Lewandowski blieb während des Spiels eher blass. Ancelotti nutzte deshalb seine dritte Option und brachte Coman für Ribéry (76.). Bemerkenswert war, dass die Kapitänsbinde durch die Wechsel zwei Mal abgegeben wurde. Auf Müller folgte Ribéry, der sie schließlich Arjen Robben gab.

Coman hatte dann direkt seine erste Möglichkeit, stand aber im Abseits. Lewandowski war der nächste, der sich an der Entscheidung probieren durfte, traf aber nur das Außennetz (79.). Bayern bekam in der Schlussphase etwas mehr Kontrolle in die Partie, ließ Leverkusen aber immer noch genügend Raum für Angriffe. Es wurde ein offener Schlagabtausch.

Den endgültigen Punch sollte wieder Lewandowski verpassen. Nach Robbens Pass war der Pole frei durch, verzog aber deutlich (86.). Als der Niederländer dann selbst die Chance bekam, parierte Leno (90.). Es blieb somit beim 3:1-Erfolg, der in der Höhe durchaus schmeichelhaft war. Man hat in München schon glanzvollere Spiele zum Auftakt gesehen.

3 Dinge, die auffielen:

1. Die jungen Spieler übernehmen Verantwortung

Es ist keine große Überraschung, dass Bayerns Kader riesige Qualitäten mit sich bringt. Aber was Kimmich, Süle, Tolisso und Rudy zum Auftakt boten, hat sehr viel Lust auf mehr gemacht. Während Kimmich seinen Flügel rauf und runter beackerte, Dreiecke schuf, gefühlvolle Flanken schlug und quasi mit jeder Aktion offensive Gefahr entfachte, sicherte Tolisso ihn eindrucksvoll ab. Wie schon im Supercup kreierte der Franzose seinen Mitspielern mit klugen Positionierungen, aber auch starken Vorstößen Entlastungen.

Rudy debütierte ähnlich beeindruckend. Hin und wieder sah er zwar in Drucksituationen nicht so gut aus wie zuletzt, sein Auftritt war aber dennoch stark. Taktgebend, beruhigend und stets Anspielstationen schaffend, besetzte Rudy die wichtigsten Positionen im Mittelfeld. Sein Teamkollege, der dies schon in Hoffenheim war, präsentierte sich hinten als sichere Bank. Süle gewann viele Zweikämpfe, war darüber hinaus aber auch in der Lage, die Angriffe der Bayern zu initiieren. Die jungen Spieler der Bayern waren es, die Verantwortung übernahmen und den FC Bayern in der zweiten Halbzeit zunehmend stabilisierten.

Nach dem Pausenpfiff konnten aber auch sie noch nicht den Wechsel des Spielverlaufs verhindern. Bayer bekam die volle Kontrolle und Rudy sah sich erstmals mit den Problemen konfrontiert, die Thiago in der Vergangenheit eindrucksvoll meisterte. Er schaffte es zunächst nicht immer, sich aus dem höheren Pressing der Gäste zu befreien, kam aber immer besser damit klar. Es zeigte sich, dass die Umstellung für die Neuzugänge noch dauern kann, aber ihre Einstellung war bemerkenswert. Alles in allem machten sehr viele Aktionen Mut und Lust auf mehr. Während etablierte Kräfte das Ruder im zweiten Durchgang lange nicht herumreißen konnten, war es Kimmich, Rudy, Süle und auch Tolisso zu verdanken, dass Bayer die Partie nicht mehr drehen konnte. Auch Vidal ist hier sicherlich zu nennen, der viel arbeitete, einige Zweikämpfe gewann, mit Ball aber deutlich zu wenig bot.

2. Die Bayern finden Wege zum gegnerischen Tor, wenn sie wollen.

Ancelotti scheint beim Supercup auf eine interessante Aufstellung gestoßen zu sein, die Zukunftspotential hat. Weder Robben, der erst vor kurzem sein Comeback gab, noch Coman standen in der Startelf. Dafür drei Mittelfeldspieler, zudem Müller und Lewandowski, die Ribéry unterstützen sollten. In der vergangenen Saison war dies eher holprig, weil Müller als Rechtsaußen verschenkt wurde.

Allerdings hat diese Position nun Joshua Kimmich inne, der von Tolisso abgesichert wird. Der Nationalspieler war an nahezu jeder Aktion beteiligt. Diese Freiheit war ihm dank des Franzosen gegeben, der viel arbeitete und in seiner veränderten Rolle gefiel. Dadurch rückte Müller in seine Paraderolle um Lewandowski herum. Es braucht wenig Fantasie, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Bayerns Offensive daraus resultierend sehr viel mehr Zug zum Tor hatte. Die Einbindung der Angreifer war sehr gut, Ribéry schob entweder in die Zentrale, um zu überladen oder versuchte selbst auf dem Flügel gefährlich zu werden. Die Variabilität war um ein vielfaches größer als mit einem Müller, der an der Außenlinie klebt.

Aus dieser Konstellation entstanden viele schöne Kombinationen. Die Mischung aus 4-2-3-1, 4-3-3 und 4-4-2 war für Leverkusen an diesem Abend im ersten Durchgang kaum greifbar, weshalb die frühe Führung nur folgerichtig war. Bayern agierte nicht statisch, alle Spieler waren stets in Bewegung. Es machte dem Zuschauer wieder mehr Freude, den Münchner beim – zugegeben lange nicht perfekten – Positionsspiel zuzusehen.

Eine Einschränkung muss man für diese Beobachtung jedoch nach dem Seitenwechsel machen. Der FC Bayern zeigte eine lange Schwächephase, wie sie in der letzten Saison häufiger vorkam. Dem Wetterumschwung sollte man dabei keine Bedeutung schenken, denn damit hatten beide Mannschaften zu kämpfen. Diese Phasen sind inakzeptabel und sollten in Zukunft vermieden werden. Es dauerte viel zu lange, bis die Münchner wieder Herr im Haus waren und das nicht überragende Leverkusen ließ man so bis zum Abpfiff leben. Wenn die Gäste an diesem Abend mehr Konsequenz im letzten Drittel mitgebracht hätten, wäre ein früher Punktverlust der Bayern möglich gewesen. Man riss nach der Pause das ein, was man sich in der Anfangsphase aufbaute und das lag sicher nicht allein am Wetter.

3. Standards und ein weiter Weg.

Drei Tore in den ersten 60 Minuten sind keine Seltenheit in München. Dass die Bayern aber durch drei Standardsituationen in Führung gehen, hätte vor dem Spiel nicht unbedingt jeder getippt. Fans der Roten sind es sonst gewohnt, speziell bei Eckbällen kurz abzuschalten. Mit Niklas Süle und Mats Hummels steht nun aber reichlich Kopfballqualität auf dem Platz.

Der ehemalige Hoffenheimer stellte dies schon in der neunten Minute unter Beweis, als er die Führung der Bayern besorgte. Kimmich, der die Ecken tritt und so das 2:0 einleitete, und Rudy, der Süles Tor per Freistoß vorbereitete, haben das Gefühl, die Innenverteidiger die Abschlussqualität.

Allerdings muss man bei aller Qualität auch sagen, dass die Bayern Schwächen offenbarten. Die Kontrolle war nicht immer gegeben. Zu den häufigsten Fehlern zählten unkluge Zuspiele, die das Mittelfeld unnötig unter Druck setzten oder individuelle Aussetzer, die vermeidbar sind und sein müssen. Leverkusen bekam zu häufig gute Kontergelegenheiten, die sie aus zwei Gründen nicht gut ausspielten. Zum einen, weil sie sich nicht klug genug anstellten, zum anderen, weil Süle und Hummels außerordentlich gut verteidigten und auch Vidal einen sehr guten Job gegen den Ball machte.

Gerade nach der Pause hatte der Rekordmeister große Probleme. Leverkusen passte sich schlicht schneller an die neuen Platzbedingungen an und wechselte zudem noch in ein 3-4-3. Mit der Systemumstellung und dem daraus entstehenden Druck kam der Rekordmeister kaum klar. Die Gäste hatten aber oft noch nicht die Qualität, um Bayerns Fehler zu bestrafen. In den nächsten Wochen werden Ancelotti und sein Team an der Sicherheit und auch an der Kontrolle mit sowie gegen den Ball arbeiten müssen. Für einen ersten Spieltag sah das mannschaftstaktisch in einigen Phasen zwar gut aus, aber der Weg ist noch sehr weit und das muss jedem im Team klar sein. Auch die mangelnde Reaktion auf veränderte äußere Faktoren war ein wichtiger Faktor dafür, dass die Bayern in der vergangenen Saison in den KO-Wettbewerben ausschieden.

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FC Bayern – Bayer Leverkusen 3:1 (2:0)
FC Bayern Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels (62. Rafinha), Alaba – Tolisso, Rudy, Vidal – Müller (61. Robben), Lewandowski, Ribéry (77. Coman)
Bank Früchtl, Friedl, Sanches, Pantovic
Bayer Leverkusen Leno – Henrichs, Tah, S. Bender (46. Dragovic), Wendell – Bellarabi, Kohr, Aranguiz (60. Kampl), Bailey (46. Brandt) – Mehmedi, Volland
Bank Özcan, Baumgartlinger, Pohjanpalo, Yurchenko
Tore 1:0 Süle (9.); 2:0 Tolisso (18.); 3:0 Lewandowski (53., Foulelfmeter); 3:1 Mehmedi (65.)
Karten Gelb: Vidal / Kohr, Aranguiz
Schiedsrichter Tobias Stieler (Hamburg)
Zuschauer 75.000 (ausverkauft)