Frauenbundesliga: Wolfsburg - Bayern

Erneut schlägt Wolfsburg die Bayern-Frauen 2:0

Jolle Trenner 20.03.2017

Beide Teams hatten die Aufgabe zu bewältigen, sich in den englischen Wochen auf gleich drei Wettbewerbe konzentrieren zu müssen. Wieviel Körner konnten sie zwischen den K.O.-Spielen in Pokal und Champions League für das Meisterschaftsspiel aufwenden, das auch über die CL-Qualifikation im nächsten Jahr mitbestimmen würde?

Aufgrund der Tiefe des Kaders befand sich Wolfsburg in der Pole-Position. Zwar fehlten auch dem VfL wichtige Stützen wie Elise Bussaglia. Bei den Bayern standen mit Simone Laudehr, Nora Holstad, Melanie Leupolz, Stefanie van der Gragt, Mana Iwabuchi, Anna Gerhardt, Viktoria Schnaderbeck und Sarah Romert allerdings gleich eine ganze Reihe von Leistungsträgerinnen nicht zur Verfügung.

Falls Ihr es verpasst habt

VfL Wolfsburg Frauen - FC Bayern München Frauen, GrundformationenWolfsburg mit vielen Passoptionen im 4-3-2-1

Wörle schickte sein Team wie gewohnt mit Dreierkette aufs Feld. Baunach wechselte auf den linken Flügel, da rechts Leonie Maier zurück ins Team kam. Wolfsburg — im Hinspiel noch ebenfalls mit Dreierkette unterwegs — hielt im 4-3-2-1 dagegen, das defensiv zum 4-4-2 mit Popp als zweiter Sechs wurde. Die Offensivformation bot viel Präsenz und gute Passverbindungen in der zentrale des Spielfelds, wodurch die Schnittstellenpässe der Bayern erfolgreich vereitelt werden konnten. Zudem konnten die spielstarken Fullspeed-Angreiferinnen die Räume auf dem Flügel auskosten, die durch Verlagerungen freigespielt wurden.

Bayern kam gut aus den Blöcken, drückte Wolfsburg an den eigenen Strafraum und Rolfö setzte den ersten Torschuss nur knapp links neben den Pfosten (2’). Aber auch die Gastgeberinnen ließen nicht lange auf Hochkarätiges warten. Popps Flanke von links konnte von Korpela zunächst entschärft werden. Den freien Nachschuss verzog Tessa Wuellert deutlich (4’). Popps zentrales Schüsschen von der Strafraumgrenze barg nur wenig Gefahr (6’). Gunnarsdóttirs Distanzschuss lenkte Korpela über die Latte (10’).

Die Bayern kamen erst durch hohes Pressing wieder zu einer guten Möglichkeit, wobei Miedema den Ball jedoch mit dem schwächerein Linken nicht aufs Tor brachte (12’). Den 1:0 Führungstreffer erzielte Pernille Harder nach direktem Ball von Babette Peter in die Spitze (14’). Lewandowski verschätze sich beim Kopfballduell und machte so freie Bahn für den Winterneuzugang vom Linköping FC. Noch bis zum Dezember war Harder Teamkollegin von Fridolina Rolfö gewesen.

Die Bayern ließen kurz die Schultern hängen, rafften sich aber schon bald wieder auf. Plötzlich konnte Miedema zentral durchbrechen und von Nilla Fischer nur per Foul gestoppt werden. Die schwedische Abwehrchefin hätte sich auch über Rot nicht beschweren dürfen — schließlich wäre Miedema frei zum Schuss gekommen. Den fälligen Freistoß senste Baunach knapp drüber (17’).

Wolfsburg mit „expected goals“ vom andren Stern

Die Partie ging nun hin und her. Beide Teams hatten viele Chancen, doch diejenigen von Wolfsburg waren nicht nur zahlreicher sondern auch wesentlich gefährlicher. In der 21. Minute verhinderte Korpela mithilfe von Maier das sichere 2:0. Hansen flankte von rechts in den Fünfmeterraum und Dickenmann gelang es nicht, den Ball über die Linie zu drücken, auch der Nachschuss von Popp verfehlte das Ziel. Kurz drauf vergab Gunnarsdóttir in Rücklage (22’).

Die Schlussphase der ersten Halbzeit war durch zahlreiche Ecken und Freistöße der Hausherrinnen geprägt. Bayern musste zusehen, nicht unter die Räder zu geraten und sehnte den Halbzeitpfiff herbei. Das 1:0-Pausenergebnis war noch der größte Anlass zur Hoffnung für die Roten.

Wolfsburg dominiert, verpasst aber die Entscheidung

Auch in der zweiten Halbzeit war der VfL lange Zeit überlegen, aber nicht zielstrebig genug, um Kraft und Nerven zu sparen. So konnte Bayern das Spiel mit ein paar erstklassigen Abwehraktionen offenhalten. Gleich nach Wiederanpfiff gelang Korpela eine Großtat, bei der sie blitzartig zu Boden ging, als Hansen sie aus kürzester Distanz tunneln wollte.

Wolfsburg versuchte sich darin, die eigenen Angriffe ruhig zu Ende zu spielen, an den eigenen Offensivaktionen zu feilen, keine Hektik aufkommen zu lassen, das Spiel durch eigenen Ballbesitz zu beruhigen und gelegentlich zu kontern. Doch die Konter spielten die Gastgeberinnen mehr als kläglich aus.

Je länger es 1:0 Stand, desto mehr Hoffnung schöpften die Bayern. Lange Zeit hatten sie nur harmlose Abschlüsse aus der Distanz zu verbuchen oder scheiterten am letzten Pass, doch zogen sie Schritt für Schritt das Momentum auf ihre Seite. Miedema war immer wieder ganz vorne mit dabei. Die Torjägerin schloss nicht nur mehrfach aus passabler Lage ab, sondern scheiterte auch nur knapp mit einem Querpass auf Rolser, die dann frei hätte einnetzen können (68’). Rolser verdient überdies ein Lob dafür, wie sie allein gegen viele hohe Bälle verarbeitete und weiterverteilte, als hätte sie die Statur von Sandro Wagner. Klasse!

Während Wolfsburg den Konter in der 80. Minute noch vertändelte, machten sie nur drei Minuten später den Sack dann endgültig zu. Hohe Flanke aus vollem Lauf Harder, Direktabnahme Kerschowski, 2:0. Ende. Aus.

3 Dinge, die auffielen

1. Es fehlen 10-15 Prozent

Bayern gut. Wolfsburg besser. So ließen sich die Partie sowie die aktuellen Verhältnisse in der Liga zusammenfassen. Bei den Bayern fehlen nicht nur zig Spielerinnen, die den Unterschied ausmachen und ein knappes Spiel auch mal durch eine Einzelaktion entscheiden können. Auch die verbleibenden Spielerinnen erreichen zur Zeit nicht das Limit ihrer Fähigkeiten.

Die Bayern befinden sich nach mehreren Jahren großen Erfolgs in einer kleinen Delle. In einer solchen Negativphase fehlen auch bei den gesunden Spielerinnen einige Prozentpunkte, die sich in Erfolgsphasen, wenn das kollektive Ganze über seine Einzelteile hinauswächst, spielend leicht noch oben auf die 100 draufpacken lassen.

Tom Wörle arbeitet mit seiner Mannschaft fleißig an der Perfektion und der Weiterentwicklung seines Systems mit Dreierkette. Doch die Konkurrenz ist an das System gewöhnt. Zwei Meisterschaften und unglaublich guten, stabilen und attraktiven Fußball hat es eingebracht. Doch haben nicht nur die Gegner Gegengifte entwickelt. Hie und da haben sich die Abläufe womöglich — so eine naheliegende Spekulation — auch im eigenen Team abgenutzt. Die Neugierde der neuen Spielerinnen, ob Neuzugänge, Nachwuchs oder Genesene, reicht nicht aus, um den fehlenden Drive im Grundgerüst auszugleichen.

Das ist nur allzu menschlich. Es wird eine riesige Aufgabe sein, sich am eigenen Schopf wieder aus dem Sumpf und das Momentum zurück auf die eigene Seite zu ziehen. Auch Wolfsburg und Potsdam können noch Punkte liegen lassen. Die Champions-League-Quali muss jetzt die Motivation sein, damit die wenigen Schultern die Last gemeinsam tragen und sich für den Rest der Saison die Seele aus dem Leib spielen.

Dass sich Bayern trotz seiner Unterlegenheit bis zum Schluss gegen die Niederlage stemmte, die Partie eng hielt und sogar noch zum Ausgleich hätte kommen können, zeigt: ein paar Prozent mehr und die Geschichte sieht schon wieder ganz anders aus.

2. Defensive besonders geschwächt

Ein ums andere Mal tauchte Wolfsburg vor dem Bayerischen Tor auf. 3:0 oder 4:1 hätte es locker auch nach der ersten Halbzeit schon stehen können.

Wie sich Harder und Hansen in Unterzahl zwischen den Linien der Roten den Ball auflegen durften, darf nie und nimmer passieren. Glücklicherweise vergab Hansen in der 28. Minute, tanzte aber wenig später erneut zwei Verteidigerinnen aus. Der Stellungsfehler Lewandowskis führte zum 1:0. Doch statt Lewandowski, Wenninger, Abbé heißt die Stammdreierkette eigentlich Schnaderbeck, Holstad, van der Gragt. Davor räumt neben Behringer für gewöhnlich Melanie Leupolz sowohl robust als auch spielerisch alles ab und wandelt es in eigene Angriffe um, was so auf das Bayerntor zukommt.

All diese Waffen stehen den Bayern derzeit nicht zur Verfügung und dafür schlägt sich die zusammengewürfelte Abwehr redlich. Automatismen, klare Abläufe, Vertrauen und blindes Verstehen sind das A und O im defensiven Mannschaftsteil. Bei allem Einsatz der Spielerinnen, die derzeit in ungewohnter Rolle einspringen: diese Komponenten lassen sich nicht einfach herbeiwünschen. Der VfL Wolfsburg war nun leider der Stresstest im laufenden Betrieb, der leider kein Test war.

3. Der Nachwuchs zeichnet sich aus

Wo viele fehlen, können andere nachrücken. Gleich zwei 16-Jährige kamen im Top-Spiel gegen den VfL zum Einsatz: Sidney Lohmann spielte von Beginn an auf der linken Acht, Verena Wieder löste Leonie Maier eine halbe Stunde vor Schluss auf der rechten Außenbahn ab. Beide machten ihre Sache gut.

Lohmann bewies schon in der ersten Halbzeit ein gutes Auge für Dynamiken und Räume, bildete ein passsicheres Duo im linken Halbraum mit Katharina Baunach und stand Melanie Behringer in der Zentrale zur Seite. Nach fast 60 Minuten hatte sie einen Torabschluss zu verbuchen, der nur knapp über den Querbalken von Schult ging. Am meisten bleibt jedoch der „Zidane“ in Erinnerung, mit dem sie nach etwa 75 Minuten beinahe den Ausgleich eingeleitet hätte. Im Pressing fing sie den Wolfsburger Spielaufbau ab, stieg zur Körperdrehung auf den Ball, brachte ihn auf Stürmerin Rolser, deren Schuss jedoch geblockt wurde.

Auch Wieder konnte zeigen, dass sie nicht aus purer Verzweiflung ins Spiel geworfen wurde und beackerte ihre Seite furchtlos. Einfach klasse wie sie durch Verlagerung von Miedema freigespielt den Ball nur minimal zentral in den Rückraum spielte — gerade genug, damit die zurückeilende Verteidigung vorbeirauschte — und Däbritz den festen, präzisen Ball nur deshalb nicht verwerten konnte, weil sie inmitten von Weißgrün eingekeilt war (73’).

Nur einen Tag nach dem Match gegen den VfL Wolfsburg unterzeichneten die zwei Talente ihre Profiverträge bis 2019, mit denen sie offiziell zum Kader der ersten Mannschaft gehören. Erst im letzten Jahr waren Lohmann und Wieder für die U17 zum FC Bayern geholt worden und stiegen schnell ins zweite Team auf. Der erste Eindruck war vielversprechend. Die furchtlose Frische der Youngster kann das Team derzeit gut gebrauchen.

VfL Wolfsburg – FC Bayern München
Wolfsburg Schult – Blässe, Fischer, Peter, Maritz – Dickenmann (69. Kerschowski), Gunnarsdóttirs, Wuellert (55. Bernauer) – Popp, Harder (88. Mittag) – Hansen
Bayern Korpela – Lewandowski, Wenninger, Abbé – Baunach, Lohmann, Behringer, Däbritz (82. Lotzen), Maier (62. Wieder) – Rolfö (46. Rolser), Miedema
Bank Zinsberger, Evans, Bürki
Tore 1:0 Harder (14.), 2:0 Kerschowski (83.)
Karten Gelb: Fischer (17.), Bernauer (67.), Popp (70.) / Behringer (41.)
Schiedsrichterinnen Katrin Rafalski (Bad Zwesten), Vanessa Arlt (Greven), Isabel Steinke (Tönisvorst), Nadine Westerhoff (Castrop-Rauxel)
Zuschauer 2.640