Doppelpack: Ist der Bayern-Kader stark genug?

Justin Trenner 01.09.2016

Unsere Autoren Steffen und Justin diskutieren genau diese Fragestellung und bewerten wie gut die Münchner auf die neue Saison vorbereitet sind.

Im Miasanrot-Doppelpack nehmen beide Autoren einen Standpunkt ein, um die Komplexität der Situation abzubilden. Das eigentliche Fazit überlassen wir dabei den Lesern.

„Hohe Qualität in der Spitze“

Justin Ich denke, dass der FC Bayern seinen Kader fast perfekt besetzt hat. Mit Sebastian Rode und Mario Götze haben zwei Akteure den Verein Richtung Dortmund verlassen. Doch beide hätten es weiter schwer gehabt einen regelmäßigen Platz im Kader zu finden. Renato Sanches ist nicht nur ein klares Upgrade zu Rode, sondern auch noch extrem jung und lernfähig.

In der Verteidigung sieht es ähnlich aus. Mats Hummels könnte mit seiner sportlichen Qualität, aber auch als Persönlichkeit ein Baustein sein, der dem Rekordmeister in den letzten Jahren fehlte. Außerdem ist er im Vergleich zu Benatia zuletzt weniger verletzt gewesen. Vor Manuel Neuer gibt es mindestens zwei verschiedene Viererketten, die jeweils auf sehr hohem Niveau agieren können. Im Mittelfeld wird Ancelotti vermutlich auf eine Dreierreihe setzen. Dem Italiener stehen auch dort viele Varianten zur Verfügung. Alonso, Vidal, Thiago, Sanches, Kimmich, aber auch die nominellen Verteidiger Lahm, Alaba sowie Martínez sind Spieler, die dem Trainer dort fast auf jeden Gegner und Spielstil eine Antwort liefern können.

Im Angriff könnte es dann zugegeben etwas dünner werden. Robben und Ribéry sind anfällig für Verletzungen, während bei Costa ein Fragezeichen hinter der tatsächlichen Qualität steht. Speziell Ribéry scheint im Moment aber, mit aller Vorsicht, stabiler zu werden. Coman ist zudem ein sehr junger Spieler, von dem nicht konstant zu erwarten ist, dass er Spiele allein entscheidet. Der FC Bayern ist hier in einer schwierigen Situation. Die Übergangsphase wurde bereits eingeleitet und gestandene Akteure wie Robben und Ribéry sind weiterhin in der Lage der Mannschaft zu helfen. Einen oder gar zwei weitere Flügelspieler zu verpflichten würde beiden signalisieren, dass das Vertrauen endgültig weg ist. Der Ehrgeiz beider ist allerdings so hoch, dass ihnen ein letzter Karrierehöhepunkt noch zuzutrauen ist. Mit 5 oder 6 Spielern für 2 Positionen wäre der Konkurrenzkampf so hoch, dass es ganz sicher Probleme im Kader geben würde. Die einzig realisierbare Option wäre die Verpflichtung eines Talents gewesen, doch hier schien den Münchnern kein wirklich sinnvoller Transfer möglich zu sein.

Schlussendlich ist der Kader aber auch hier glänzend besetzt. Bisher sind noch nie alle vier Flügeldribbler gleichzeitig ausgefallen und selbst wenn es mal passieren könnte, wäre es zu viel des Guten sich auf eine solch absurde Situation vorzubereiten. Zumal der Kader nach diesem Prinzip schnell auf eine nicht tragbare Größe anwachsen würde. Im Sturmzentrum dürften die Bayern am dünnsten besetzt sein. Hier vertraut man ganz klar auf die Resistenz von Müller und Lewandowski gegen Verletzungen. Gerade der Pole zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder selbstbewusst und verwies darauf, dass es keinen zweiten Stürmer brauche. Dieser Meinung bin ich auch. Welcher Stürmer wäre zudem auf dem Markt gewesen, der die Qualität für den FC Bayern hat und sich freiwillig in fast 80-90% der Spiele auf die Bank setzt? Schwierig.

Ich sehe einen sehr starken, strukturierten und ausbalancierten Kader, der wieder in der Lage ist in allen drei Wettbewerben um Titel zu spielen. Es ist, anders als in Videospielen, nicht so einfach Spieler für eine Position zu verpflichten, auf der sie nur Einsätze bekommen, wenn der Stammspieler sich mal verletzt. In der Spitze sehe ich eine höhere Qualität als in der letzten Saison. Ob ein einziger Spieler einen entscheidenden Unterschied machen könnte, wage ich zu bezweifeln. Zudem auch Panikkäufe keine Lösung gewesen wären.

„Nicht ohne ein paar Fragezeichen“

Steffen

Um eines direkt vorweg zu sagen. Der Kader des FC Bayern ist im Normalfall gut genug, um in allen drei Wettbewerben bis zum Schluss um den Titel mitzuspielen. Es ist grundsätzlich auch gut, dass die Münchner trotz einiger verletzter Spieler nicht in Panik ausbrechen und Spieler kurz vor der Deadline überbezahlen. Auch das spricht für die Qualität der Mannschaft. Doch trägt der Kader den Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre und der gehobenen Altersstruktur der Schüsselspieler Rechnung? Nicht zu 100%. Zumal mit Rode, Hojbjerg, Götze und Benatia im Sommer überraschend viel Substanz abgegeben wurde.

Gewiss kann ein Kader nicht komplett auf einen worst case ausgerichtet werden, wie er in der Rückrunde 2014/2015 eintrat. Damals fielen mit Arjen Robben, Franck Ribéry, David Alaba, Thiago, Javi Martínez, Medhi Benatia und Holger Badstuber gleich sieben Spieler über weite Teile der Rückrunde aus. Dass Mitchell Weiser in den Champions-League-Halbfinals gegen Barcelona ein ernsthafter Kandidat auf die Startelf war spricht, bei allem Respekt vor seiner Entwicklung für die komplizierte Situation damals. Zwar haben die Münchner schon im Vorjahr reagiert und mit Costa und Coman gerade auf den offensiven Außenpositionen nachgelegt, doch auch in diesem Frühjahr kam es durch mehrere Verletzungen erneut zu einem Engpass, der nur durch die guten Leistungen von Joshua Kimmich und David Alaba auf fremder Position in der Abwehrzentrale aufgefangen werden konnte.

Es ist nun einmal so, dass der FC Bayern eine Reihe von vorbelasteten Spielern in seinen Reihen hat. Ribéry, Robben, Badstuber, Martínez, Thiago verpassten in den vergangenen Jahren ganze Halbserien oder mehr mit Verletzungen. Teilweise sogar mehrfach. Dass auch Douglas Costa, Kingsley Coman, Renato Sanches und Jérôme Boateng mit langwierigen Verletzungen aus dem Sommer kamen, verdeutlicht wie schnell es gehen kann. Zudem müssen Coman und Costa noch nachweisen, dass sie dauerhaft auf dem Niveau von Robben und Ribéry agieren können. Denn dieser Spielertyp wird auch unter Ancelotti der entscheidende Faktor für Bayerns Spiel sein.

Ein weiterer hochveranlagter Spieler, beispielsweise ein Offensivallrounder, der auch den kaum abgesicherten Robert Lewandowski ersetzen könnte oder eine Alternative zu Kreativspieler Thiago stünde dem Kader gut zu Gesicht. Vor allem deshalb weil der FC Bayern alles aus dem Karrierefenster der Ausnahmegeneration Ribéry, Robben und Lahm herausholen sollte. Dafür lohnt es sich auch den ein oder anderen unzufriedenen Spieler in Kauf zu nehmen. So ist der Kader gut. Noch dazu mit einer Chance für die Nachwuchsspieler Green, Benko und Dorsch. Aber eben nicht ganz ohne ein paar Fragezeichen und ein wenig Bauchschmerzen.