Die Abrechnung: 16 Thesen zur Bayern-Saison 2014/2015

Steffen Trenner 24.05.2015

1. DER FC BAYERN WIRD MEHR SPIELE VERLIEREN ALS IN DEN BEIDEN VORANGEGANGENEN SPIELZEITEN ZUSAMMEN

Jep. Drei Bundesliga-Niederlagen waren es im Triple-Jahr und im ersten Jahr unter Guardiola zusammen. Fünf Niederlagen kamen in dieser Saison dazu. Dass diese deutlich später kamen als erwartet, sorgte dafür, dass der FC Bayern trotzdem relativ ungefährdet die Meisterschaft einfuhr. „Nach zwei überragenden Jahren wäre eine Saison mit signifikant mehr Niederlagen aber in jedem Fall ein Test für Fans und das Umfeld des FC Bayern“, schrieb ich im August des vergangenen Jahres. Selbst bei den späten Niederlagen in den letzten Wochen der Saison war zu spüren was ich damit gemeint hatte. Eine Saison mit einer Schwächephase im Herbst des Jahres 2014 hätte für den FCB deutlich komplizierter werden können. Die überragende Hinrunde verhinderte dies.

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2. GUARDIOLA UND SAMMER WERDEN IM VERLAUF DER SAISON MINDESTENS EINMAL DIE FRAGE BEANTWORTEN MÜSSEN, OB ES EIN FEHLER WAR TONI KROOS ZIEHEN ZU LASSEN

Jein. Auch hier spielt die starke Hinrunde der Münchner eine gewichtige Rolle. Weil der FC Bayern bis zum Jahreswechsel nur ein unbedeutendes Spiel in der Champions League verlor, gab es wenig Grund nach dem Abgang von Toni Kroos zu fragen. Die Thesen entstanden zudem vor der Verpflichtung von Xabi Alonso, der die Lücke im zentralen Mittelfeld, die ich durch die Verletzungen von Schweinsteiger, Thiago und Martínez prophezeit habe, schloss. Trotzdem war Kroos Transfer immer wieder mal Thema, allerdings nicht in dem Umfang in dem ich es vermutet hatte. Trotzdem insgesamt ein Punkt für mich.

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3. ES WIRD MINDESTENS EINEN DREIKAMPF, UM DEN TITEL IN DER BUNDESLIGA GEBEN

Ähm… Nein. Trotz erstarkten Wolfsburgern, Leverkusenern und Gladbachern konnte von einem Dreikampf nicht die Rede sein.

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4. PIERRE EMILE HØJBJERG WIRD MEHR ALS 20 PFLICHTSPIELE VON ANFANG AN BESTREITEN

Es waren am Ende 15. Davon 10 im Trikot des FC Augsburg. Auch hier muss der Alonso-Transfer ein wenig als Erklärung herhalten, der erst nach der Veröffentlichung der Thesen erfolgte. Durch die vielen Verletzungen, die es schon vor der Saison gab und die ich durch den WM-Sommer zusätzlich vermutete, sah ich auch viel Spielzeit für Højbjerg. Das bewahrheitete sich am Ende nicht auch weil das Umfeld des Dänen ein wenig die Geduld verlor. Die Leihe war letztlich ein richtiger Schritt – auch wenn sie dem FC Bayern am Ende der Saison weh tat, als erneut die Verletztenmisere zuschlug. Eine Verlängerung des Leihgeschäfts in Augsburg mit der Perspektive auf Startelfeinsätze in der Europaleague wäre die logische Konsequenz.

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5. XHERDAN SHAQIRI WIRD ENTWEDER DEN DURCHBRUCH SCHAFFEN ODER DEN VEREIN VERLASSEN

Ins Schwarze. „This year or bust“, schrieb ich in den Thesen vor der Saison und behielt Recht. Auch bei ihm stellt sich die Frage, ob sich der Abgang nach Mailand im Winter am Ende nicht ein Stück weit rächte. Der FC Bayern hätte in der entscheidenden Saisonphase einen Spielertyp wie Shaqiri gut gebrauchen können. Insgesamt waren Shaqiris Leistungen seit der Ankunft von Guardiola aber zu verzagt und bieder. Das wars für ihn in München.

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6. DANTE WIRD AM ENDE DER SAISON WENIGER EINSÄTZE ALS HOLGER BADSTUBER AUF DEM KONTO HABEN

Eine der bitteren falschen Thesen dieser Saison. Badstuber begann als Stammspieler. Stand drei Mal in der Startelf bis er sich eine schwere Muskelverletzung zuzog, die ihn bis zur Rückrunde außer Gefecht setzte. Nach seiner Rückkehr im Februar stand er erneut sechs Mal in der Startelf bis die nächste Verletzung zuschlug. Eine schwere Saison für Dante hatte ich prophezeit. Zumindest das traf zu. Dass Badstuber am Ende nur 16 Einsätze verbuchen konnte, lag vor allem an seinem erneuten Verletzungspech und weniger am Brasilianer.

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7. MARIO GÖTZE WIRD MEHR SCORER-PUNKTE SAMMELN ALS ARJEN ROBBEN UND FRANCK RIBÉRY

Götze ließ mich im Stich. Der Nationalspieler verbuchte fast genauso viele Pflichtspieleinsätze wie Robben und Ribéry und hatte am Ende doch weniger Scorer-Punkte als seine alternden Kollegen. Nach der Hinrunde wähnte ich mich hier auf einem guten Weg. Mit sieben Toren und zwei Vorlagen allein in der Bundesliga spielte Götze eine gute Vorrunde. Nach der Winterpause tauchte er ab. Sechs Torbeteiligungen in 25 Pflichtspielen im Jahr 2015 waren einfach zu wenig für einen Offensivspieler – vor allem weil Robben und Ribéry so oft ausfielen wie ich es vorhergesagt hatte.

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8. ROBERT LEWANDOWSKI WIRD TORSCHÜTZENKÖNIG DER BUNDESLIGA

Danke Mitch Langerak. Bis zum wüsten Herausstürmen des Dortmunder Torhüters im DFB-Pokalhalbfinale sah alles danach aus, dass ich recht behalten würde. Nach der schweren Kopfverletzung, die Lewandowski Ende April bei dem Zusammenprall (lies: Foul) davon trug, traf der Pole in der Liga nur noch einmal. Es blieb bei 17 Treffern. Zwei Tore fehlten am Ende auf Überraschungsmann Alex Meier. Lewandowski spielte trotz viel Kritik zwischendurch eine starke Saison. Wie im Vorjahr in Dortmund erzielte er 16 Treffer aus dem Spiel heraus. Und das bei signifikant weniger Einsatzminuten. Das kann sich sehen lassen. Falsch lag ich dennoch.

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9. JULIAN GREEN WIRD IM LAUFE DER SAISON VERLIEHEN

Bang! Meine These, das ein 19-jähriger WM-Torschütze nicht in der Regionalliga Bayern auflaufen wird traf zu. Green verließ den Verein in Richtung Hamburg und darf seitdem als Beleg dienen, dass Leihgeschäfte für junge Spieler alles andere als ein Allheilmittel sind. Green kam im Norden kaum zum Zug und steht aktuell vor einer etwas ungewissen Zukunft.

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10. DAVID ALABA IST (NOCH) NICHT DIE LÖSUNG FÜR DIE ZENTRALE 6ER POSITION

Auch wenn das vielleicht nicht alle so sehen. Hier gebe ich mir mit voller Überzeugung ein Ja. Alaba lief elf Mal im zentralen Mittelfeld auf (davon drei Mal auf der 6) und hat sich als Spieler in dieser Saison bis zu seiner Verletzung definitiv weiterentwickelt. Die These entstand im Eindruck der Saisonvorbereitung, die Alaba fast ausschließlich auf der 6 verbrachte. Durch die Verpflichtung von Alonso rückte er etwas weiter nach vorne auf eine 6er/8er Mischrolle. Überzeugen konnte er hier nicht immer. Sein dynamisches, manchmal wildes Spiel, das ihn auf dem linken Flügel auszeichnete, kam hier nicht immer voll zur Geltung. Auch in der Rückwärtsbewegung offenbarte er durch schlechte Positionierungen manchmal Schwächen. Alaba muss hier weiter wachsen, um den absoluten Top-Ansprüchen an einen Bayern-Spieler im zentralen Mittelfeld zu genügen. Seine stärksten Spiele (9 insgesamt) machte der 22-Jährige bis zu seiner Verletzung übrigens auf der linken Halbverteidigerposition in der Dreierkette.

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11. OB SEBASTIAN RODE IN MÜNCHEN EINE ZUKUNFT HAT, ENTSCHEIDET SICH MASSGEBLICH IN DEN ERSTEN 10 SPIELEN DER NEUEN SAISON

Die These war, dass Rode anders als Kirchhoff im Jahr zuvor direkt eine paar Fußabdrücke hinterlassen muss, um sich in den Fokus zu spielen. Das ist ihm absolut gelungen. Schon am zweiten Spieltag gegen Schalke und am fünften Spieltag gegen Paderborn stand Rode in der Startelf. Schnell spielte er sich mit seiner bissigen, unbekümmerten Art in die Herzen der Zuschauer. Echte Rückschläge gab es nur einen. Beim Rückrundenauftakt gegen Wolfsburg stand er auf ungewohnter Position im rechten Mittelfeld in der Startelf und musste nach schwacher Vorstellung bereits nach 50 Minuten wieder runter. Rode hat definitiv Schwächen, wenn er im zentralen Mittelfeld unter Druck gesetzt wird. Er ist hier nicht der filigranste Spieler bei Ballan- und Mitnahme. Bis zu einem gewissen Niveau ist es ihm aber in der gesamten Saison gelungen diese Schwächen durch hohe Laufbereitschaft und viele Balleroberungen wettzumachen.

24 Pflichtspieleinsätze. 3 Tore. 5 Assists. Das kann sich sehen lassen. Dass er bei den beiden bittersten Niederlagen in Barcelona und im Pokal gegen Dortmund verletzungsbedingt nicht mitwirken konnte, hängt sicher nicht unbedingt zusammen. Dass er als Energizer von der Bank der Mannschaft auch in diesen Spielen durchaus hätte weiterhelfen können, sagt viel über die gute Saison des Sebastian Rode aus.

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12. BASTIAN SCHWEINSTEIGERS ZEIT IST NICHT VORBEI

Hier kann man nach einer von Verletzungen geprägten Saison sicherlich drüber streiten. Fakt ist aber: Schweinsteiger stand in beiden Champions League-Halbfinals in der Startelf. Überzeugen konnte er nur im Rückspiel, trotzdem galt was in seiner langen Karriere fast immer galt: Wenn er fit war, spielte er. Allen Unkenrufen vor der Saison zum Trotz. Schweinsteiger ist einer der torgefährlichsten zentralen Mittelfeldspieler in Deutschland und wohl auch in Europa. Er verbuchte in der Bundesliga einen Torschuss im Strafraum pro Spiel und überzeugte mit 13 Torbeteiligungen in 28 Pflichtspielen.

Ob seine Zeit zumindest in München in diesem Sommer endet, entscheidet er allein. Wenn er in München weiter eine gute Rolle spielen soll, ist klar, dass er mit Spielern ergänzt werden muss, die seine Schwächen ein Stück weit ausgleichen. Eine Kombination aus Schweinsteiger, Alonso und Lahm kann das nicht. Das gilt vor allem für Kraft raubende Defensivzweikämpfe, die Schweinsteiger in dieser Saison vor allem neben Xabi Alonso das Leben schwer machten. Vorbei ist die Zeit von Schweinsteiger aber definitiv noch nicht.

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13. BAYERN WIRD MIT DEUTLICH MEHR ALS ZWEI FORMATIONEN SPIELEN

Ich hätte auch „Bayern wird mit mehr als 5 Formationen spielen“ schreiben können und hätte Recht behalten. Gerade die Hinrunde war ein Feuerwerk der Variabilität, wie wir es hier in einer Analyse schon im November darstellten. 4-1-4-1, 5-4-1, 5-3-2, 3-4-3, 3-5-2 und sogar das gute alte 4-4-2. Gesehen haben wir alles. Teilweise sogar hin und her gewechselt innerhalb eines Spiels. Es ist erstaunlich wie spielerisch die Mannschaft diese Umstellungen über weite Strecken der Saison umsetzte. Es ist nicht einmal fünf Jahre her, da diktierte Louis van Gaal dem FC Bayern Positionstreue im 4-2-3-1. Ein Spiel sah aus wie das andere. Heynckes lockerte diese Ausrichtung bereits sporadisch. Guardiola trieb sie auf die Spitze. So sehr, dass im Doppelpass aus „Guardiolas Tiki Taka ist ausrechenbar“ innerhalb einer Saison „Guardiola verwirrt die Mannschaft mit seinen vielen Ausrichtungen“ wurde ohne, dass es jemandem auffiel.

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14. SOLLTE DER FC BAYERN 2015 MEISTER WERDEN, WIRD ES DRAUSSEN WÄRMER SEIN ALS IM JAHR 2014

Ich war am 25. März 2014 im Stadion, als der FC Bayern bei Minusgeraden und Glühwein Deutscher Meister wurde. Mitte April 2015 war es wärmer. Nicht nur, weil die Münchner letztlich auf der Couch Meister wurden. These also eingetroffen.

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15. PHILIPP LAHMS ZEIT ALS RECHTSVERTEIDIGER IST VORBEI

Anscheinend. Auch wenn ich fast geneigt bin ein „leider“ anzufügen. 20 Mal lief Lahm in dieser Saison im zentralen Mittelfeld auf. Nur vier Mal auf dem Flügel. Guardiola wollte seinen intelligentesten Fußballer im zentralen Mittelfeld haben. Das hat sich insgesamt durchaus ausgezahlt. Mit Blick auf die drei Jahre, die laut Vertrag noch vor Lahm liegen, stellt sich aber doch zunehmend die Frage, ob eine erneute Verschiebung Lahms auf die rechte Seite nicht doch ein paar Probleme gleichzeitig lösen könnte. Lahm könnte sich auf Rechts die Spielzeit mit Rafinha teilen und somit dafür sorgen, dass beide fit in die entscheidende Saisonphase gehen könnten. Er würde so auch einen Platz im Zentrum frei machen – zum Beispiel für einen Defensiv-Spezialisten wie Martínez oder Rode – und könnte als hineinkippender Außenspieler auch vom Flügel Dominanz im Zentrum entfalten.

Entscheidend wird aber sein in welcher Form Lahm aus der dringend benötigten Sommerpause kommen wird. Auch von mir immer wieder geäußerte Befürchtungen, dass ihm Verletzungen immer stärker zusetzen könnten und er mehr Zeit braucht, um wieder in Form zu kommen, wurden in dieser Saison bestätigt. Guardiola und auch Lahm selbst werden sehr genau entscheiden müssen welche Rolle für ihn am besten geeignet ist, um in den kommenden Jahren das beste rauszuholen. In dieser Saison war er jedoch eindeutig ein zentraler Mittelfeldspieler. Deshalb:

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16. DER FC BAYERN WIRD IM LAUFE DER SAISON DIE VERPFLICHTUNG VON MINDESTENS ZWEI JUNGEN DEUTSCHEN SPIELERN BEKANNT GEBEN

Auch hier ein wenn auch nicht ganz überzeugendes: Ja. In den Thesen habe ich auf die Namen Goretzka, Meyer und Brandt spekuliert. Es wurden am Ende Sinan Kurt und Joshua Kimmich. Nicht ganz ausgeschlossen, dass noch der ein oder andere hinzukommt bis zur neuen Saison. Der FC Bayern wird einen Umbruch einleiten auch wenn Vorstand und Kapitän zuletzt vor einem Totalumbruch warnten. Der FC Bayern kann es sich leisten den ein oder anderen unfertigen Spieler ins kalte Wasser zu werfen und im Verein reifen zu lassen. Durch den zur Zeit mangelnden Unterbau im Jugendbereich sind die Münchner hier stärker als zuletzt gezwungen den Markt zu sondieren. Mit Kurt, der sein Pflichtspieldebüt feierte und Kimmich, der eine wechselhafte Saison in Leipzig spielte, sind die ersten Dominosteine gefallen.

Endergebnis: 11/16 (Gar nicht mal schlecht!)

Beim lesen der Thesen aus dem August fiel auch mir noch einmal auf wie sehr die Stimmung damals von den möglichen Auswirkungen der WM und der zwei fast perfekten Jahre zuvor geprägt war. Bayerns fast fehlerfreie Hinrunde ist vor diesem Hintergrund gar nicht hoch genug zu bewerten. Erst ganz am Ende ging den Münchnern auch auf Grund der vielen Verletzten ein wenig die Luft aus. Ärgerlich, aber doch irgendwo verständlich.

Für die Sommerpause belasse ich es bei einer These:

1. DER FC BAYERN WIRD IM SOMMER MEHR GELD FÜR NEUE SPIELER AUSGEBEN ALS DER BVB IN DER VORSAISON

Die Marke liegt bei 66 Millionen Euro. Für Kimmich legt der FC Bayern wohl bis zu 8 Mio. Euro auf den Tisch. Bleiben also noch 58 Mio. Euro – hält jemand dagegen?

Die 16 Thesen zur Bayern-Saison 2014/2015 wurden inspiriert von Tobias Eschers WM-Thesen.