BVB: Ohne Lewandowski noch gefährlicher?

Felix Trenner 21.08.2014

Transfers & Personal

Der BVB hatte erneut einen schwerwiegenden Abgang zu verzeichnen: Nach Nuri Sahin (2011), Shinji Kagawa (2012), Mario Götze (2013) verließ 2014 Robert Lewandowski den Klub. Hart getroffen? Nur auf den ersten Blick. Insgesamt investierten die Schwarz-Gelben deutlich über 40 Millionen Euro. Mit Ciro Immobile wurde für 18,5 Millionen Italiens Top-Torjäger geholt, mit Adrian Ramos Herthas bester Spieler aus dem letzten Jahr. Dong Won Ji darf auf Einsätze bei Schonung der Stammspieler hoffen. Auch sonst haben es Watzke und Zorc geschafft, auf jeder Position doppelt und hervorragend besetzt zu sein: Von der Linksverteidigerposition, auf der sich mit Schmelzer und Durm Deutschlands Zukunft duelliert, über das zentrale Mittelfeld mit Sahin, Gündogan, Jojic, Kehl und Kirch (der zu Saisonbeginn länger ausfällt) bis hin zu den Offensivpositionen, wo Mkhitaryan, Reus und Aubameyang von Großkreutz, Hofmann, Blaszczykowski und wiederum Jojic bedrängt werden. Auch Weltmeister Mathias Ginter soll auf die Innenverteidiger Druck ausüben – dort herrscht mit der Rückkehr von Subotic ohnehin schon Gedränge. Auf eines kann man sich diese Saison jedenfalls gefasst machen: Ein ähnlicher Einbruch wie letztes Jahr, nach der Verletzenmisere im Spätherbst, wird den Dortmundern dieses Jahr wohl nicht passieren. Zum ersten Mal wurde wirklich viel Geld in die Hand genommen – damit ist die Zielsetzung jedoch auch noch deutlicher definiert. Über kurz oder lang will die Borussia auf einer Stufe mit dem FC Bayern stehen.

System

Wie bereits erwähnt: In Dortmund ist dieses Jahr die Flexibilität das Credo. Klopp kann seine Elf in diesem Jahr in mindestens fünf verschiedenen Formationen auf den Rasen schicken:

Das klassische 4-2-3-1

Bekannt aus den letzten Jahren. Vor den zwei Sechsern, zu Saisonstart wohl Sahin und Bender, formiert sich die Offensivreihe aus Mkhitaryan, Reus und Aubameyang. Als einzige Spitze kann sowohl Immobile als auch Ramos spielen. Vorteil des Systems: Reus und Mkhitaryan kommen in den Genuss vieler Freiheiten hinter der Spitze, die Mannschaft ist gut eingespielt. Nachteil: Das Pressing+Umschalten, das Dortmund so stark gemacht hat, ist mittlerweile bekannt und wurde gerade im letzten Jahr oftmals von Gegnern ausgehebelt. Einige Mannschaften umspielten das Pressing mit langen Bällen und konnten sich im 1:1 gegen die Abwehr durchsetzen und so Nadelstiche setzen.

4-3-3

Reus und Aubameyang werden vorgezogen und bilden, wahrscheinlich mit Ramos, eine Dreierreihe nahe am gegnerischen Strafraum. Dem gegenüber stehen 3 Sechser, zwei davon defensiv (z.B. Kehl/Kirch), einer offensiver (Sahin). Vorteil: Gegen tief stehende Mannschaften entsteht eine Überzahlsituation im letzten Angriffsdrittel. Dadurch bieten sich mehr Kombinationsmöglichkeiten. Gerade in Heimspielen eine interessante Variante, da sich vor allem viele Teams aus dem Mittelfeld auf die Defensive konzentrieren und so der Borussia das Leben schwer machen werden.

4-1-4-1

Bereits im letzten Jahr, etwa im Rückspiel gegen Real Madrid, stellte Klopp vereinzelt auf ein System mit nur einem Sechser um. Eine Aufgabe, die Kehl entgegenkommen könnte, der offensiv selten Akzente setzt. In der kreativen Zentrale könnten dann Gündogan/Sahin und Mkhitaryan/Reus spielen – außen Blaszczykowski/Jojic/Hofmann oder Großkreutz zum Einsatz kommen. Vorteil: Wie beim FC Bayern unter Pep Guardiola entstünd gegen tief stehende Mannschaften mehr Druck – die „Doppelzehn“ birgt allerdings auch Risiken und ist anfällig gegen Konter, da die Verteidiger situativ die Lücken im Mittelfeld schließen sollen. In Vorbereitungsspielen hat dieses System noch nicht gefruchtet.

4-4-2 mit Raute oder Flach

Die Raute könnte wieder fest ins Dortmunder Spiel zurückkehren. Bereits am Ende der Rückrunde experimentierte Dortmund mit diesem System – wie schon zu Klopps Anfangszeiten. Mit Immobile und Ramos hätte man in beiden Systemen zwei echte Stürmer, die zusammen mit einem Zehner wie Mkhitaryan, der eher pass- als abschlussstark ist, gut harmonieren könnten. Das flache System hätte zudem den Vorteil, variabel auch defensiver zu spielen und schnell auf die laufstarken Stürmer zu spielen.

Allein diese kurze Übersicht zeigt: Klopp hat taktische Möglichkeiten, von denen die meisten Trainer nur träumen können.

Das gewisse Etwas

Die Offensivreihe um Marco Reus. Wirkten Mkhitaryan und Aubameyang letztes Jahr taktisch und spielerisch phasenweise noch überfordert, können sie das hohe Dortmunder Tempo mittlerweile besser mitgehen. In den Testspielen und vor allem im Supercup überzeugten die Zugänge der Vorsaison. Gerade Aubameyang, dem letztes Jahr zu viele technische Fehler unterliefen, will (und muss) sich zeigen. Hinzu kommt die individuelle Klasse von Marco Reus, der in der letzten Rückrunde hinter Lewandowski Woche für Woche Top-Leistungen auf konstant hohem Niveau zeigte.

Prognose

Den zweiten Platz hat der BVB durch vermeintlich kluge Einkäufe fast gesichert, auch wenn abzuwarten ist, wie schnell sich Immobile und Ramos einfinden. Wolfsburg, Leverkusen und Schalke sollte man normalerweise problemlos in Schach halten können. Wenn Dortmund 34 Spiele lang ohne längere Schwächephase oder Verletzungspech durchkommt, ist auch der Angriff auf den FC Bayern möglich. Für Klopps Jungs kann der Saisonstart, vor allem psychologisch, entscheidend sein: Sollten die Münchner am Anfang in die Saison stolpern und der BVB sich keine Blöße geben, könnte das bereits zu einem tabellarischen Vorsprung reichen, der den Westfalen am Ende den Titel beschert.