Boateng fällt lang aus

Christopher Trenner 24.01.2016

Zurück in München wurde der 27-Jährige mittlerweile ausführlich untersucht und die Befürchtungen haben sich bestätigt. Der Innenverteidiger zog sich eine Muskelverletzung im linken Adduktorenbereich zu und muss nun eine längere Pause einlegen. Das ergab eine Kernspintomographie am Samstag. Der Verein hielt sich überraschenderweise deutlich zurück und sprach auf Twitter, wie auf der Homepage, nur von einem längeren Ausfall:

Medial hingegen wurde gestern Nacht von bis zu drei Monaten Ausfallzeit gesprochen. Eine Rückkehr gäbe es für Boateng dann frühestens Mitte/Ende April. Also rund um den 31. oder 32. Spieltag (Hertha & Gladbach). Gleichbedeutend mit möglichen Halbfinalspielen in der Champions League.

Die sportlichen Folgen

Boateng ist ein Schlüsselbaustein in dieser Mannschaft. Maximal Neuer, mit Abstrichen Lewandowski und Müller fallen in diese Kategorie. Ein Ausfall von ihnen zerstört das Gesamtkonstrukt, da der FC Bayern trotz eines breiten Kaders ihre Qualität nicht gleichwertig ersetzen kann. Nicht umsonst wählte ihn die Miasanrot-Redaktion zum Spieler des Jahres 2015. Gerade in der Innenverteidigung haben die Münchner in dieser Saison bereits mit großen Verletzungsproblemen zu kämpfen gehabt. Benatia und Badstuber konnten nur bei 6 von 18 Bundesliga-Partien mitwirken, Martinez erst ab dem fünften Spieltag spielen und wurde Langezeit nur äußerst dosiert eingesetzt. Hinzu kommen Dante und Kirchhoff, die beide für „zu leicht“ bemessen wurden und den Verein im Sommer bzw. jetzt im Winter verlassen haben.

Jerome Boateng war die Konstante innerhalb des Abwehrverbundes – unabhängig, ob die Münchner mit Dreier- oder Vierkette gespielt haben. Diese Beständigkeit zahlte sich aus. Boateng avancierte im Herbst in vielen Spielen zum heimlichen Matchwinner, wie etwa beim 5:1 Sieg der Münchner über Dortmund, als er den FC Bayern mit zwei langen Bällen auf die Siegesstraße brachte. Im Schnitte spielte Boateng in dieser Saison 7,4 lange Bälle pro Partie. Das sind mehr 2,6 als Torhüter(!) Manuel Neuer und 3,3 mehr als der nächste Feldspieler Xabi Alonso. Diese Qualität im Spielaufbau bricht nun weg. Genauso wie die im Schnitt 72% gewonnen Zweikämpfe – die beste Quote in der Bundesliga.

Guardiola wird Lösungen suchen müssen

In der Bundesliga musste Gaurdiola bisher nur am dritten Spieltag auf Boateng verzichten. Angesichts vieler weiterer Verletzungen spielte damals Alonso zentral in der Dreikette. Wahrscheinlich dürfte folgendes weiterhin die bisherige Lösung sein: Dreier/Vierkette mit Alaba und nun Martinez und Badstuber oder Benatia. Badstuber könnte dabei die Aufgaben im Spielaufbau übernehmen. Dennoch hat der 26-Jährige noch einen weiten Weg vor sich. Das hat auch das Spiel gegen Hamburg gezeigt. Gegen offensiv ziemlich harmlose Gastgeber zeigte er in einigen Aktionen Licht und Schatten. Es fehlt ihm nach wie vor immer noch an der Fitness bzw. Spitzigkeit. Der Ausfall von Boateng könnte Benatia endlich in eine stärke Rolle drängen, wenn er gleichwohl über längere Zeit verletzungsfrei Fußball spielen kann. Dieses ist ihm in bisher 1 1/2 Jahren FC Bayern noch nicht gelungen. De facto gibt es bei zwei von drei verfügbaren Innenverteidigern aktuell mehr als nur ein Fragezeichen.

Aufgaben für den Verein

Es war schon ziemlich auffällig, wie defensiv der FC Bayern den langen Ausfall von Boateng kommunizierte. Dies würde dafür sprechen, dass der FC Bayern um Matthias Sammer und Michael Reschke im Hintergrund bereits den Markt sondiert. Die Verletztensituation in der Abwehr ist zwar noch nicht besorgniserregend, allerdings müssen nun Badstuber und Benatia ohne Probleme die nächsten Wochen und Monate überstehen – und das zunächst bei fortlaufender Dreifachbelastung. Denkbar ist daher, dass ein Transfer zumindest nicht mehr auszuschließen ist. Allerdings ist das Anforderungsprofil hoch und der Markt durch Champions-League-Einsatzregel sehr beschränkt. Innerhalb des eigenen Nachwuchs zeichnet sich definitv keine ernsthafte Alternative ab, die zumindest in der Bundesliga bei einigen Spielen Minuten sammeln könnte.

Gleichzeitig zeigt sich, dass der Verein das Problem der Verletzungen noch immer nicht in den Griff bekommen hat. Natürlich waren die Ausfälle von Rafinha und Boateng im Kalender 2016 durch physische Einwirkungen der Gegenspieler geschuldet. Dennoch gehen die Probleme in der Saison 2015/16 fortlaufend weiter. Hier Bedarf es schnellstmöglich einer Analyse bei Trainingssteuerung, Belastungsmanagement und medizinische Betreuung. Je früher die Ursachen für die vielen Verletzungen auf Seiten der Münchner erkannt werden, desto eher lässt sich Gegensteuern. Andernfalls droht dem FC Bayern eine ähnlich schwere Rückrunde wie im vergangen Jahr.

Update: Boateng noch schwerer verletzt?

Wie die „TZ“ erfahren hat, verletzte sich Jerome Boateng wohl noch schwerer als bisher angenommen:

Am Sonntag erfuhr die tz, dass sich der 27-Jährige auch noch einen Adduktorenabriss zugezogen hat. Drei Monate Pause – mindestens […] Dass die Münchner noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden, ist entgegen des Berichts von Sky Sport News HD unwahrscheinlich.
TZ.de am 25.01.2016

Mit dieser Diagnose erhöht sich Boatengs Ausfallzeit erneut und liegt eher im Bereich von vier bis fünf Monaten.

Update II: Kleine Datenanalyse von unserem Autor Tobias