Prozessauftakt mit Hoeneß – Erkenntnisse aus dem Gerichtssaal

Jan Trenner 10.03.2014

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Wir haben im Anschluss an diesen Artikel noch zwei weitere Dinge geplant. Zum einen möchte ich gern darüber schreiben, wieso ich den Prozess als Zuschauer besucht habe und was man dort als Zivilist unter all den Journalisten so erlebt. Ab morgen verfolgen wir das Ganze mit etwas Distanz und bereiten wichtige Fakten in einem »Liveblog«, der sich über die restlichen Verhandlungstage aktualisieren wird auf.

Doch zuerst einige Erkenntnisse, die ich heute gewonnen habe, sowie ein Storify mit den unserer Meinung nach interessantesten und informativsten Tweets vom Tag. Eine große Anzahl an Journalisten war vor Ort und viele von ihnen haben erfreulicherweise fleißig aus dem Justizpalast getwittert.

Erkenntnisse des ersten Prozesstages

  • Die Anklage: Hoeneß werden Steuern in Höhe von 3.545.939,70€ und Verlustvorträge von 5.519.739,20€ vorgeworfen. Spannend ist hierbei natürlich, dass niemand von der Presse diese Summe genau beziffern konnte oder überhaupt vom zweiten Schweizer Konto wusste. Es geht um die Jahre 2003 bis 2009.
  • »Reinen Tisch machen« – Das schien das Ziel des Bayernpräsidenten beim ersten Verhandlungstag zu sein. Über seinen Anwalt räumte er eine Hinterziehung von insgesamt 18.5 Millionen Euro ein. Die genauen Umstände werden am zweiten Verhandlungstag zu klären sein. Zur angeklagten Steuerschuld kommt eine Schätzsumme hinzu, welche aus den Bankdaten hervorging. Hoeneß geht auf eine komplette Offenlegung und sagte dazu »mir ist klar, dass mir nur absolute Steuerehrlichkeit hilft«, sowie »[Ich] bin froh, dass alles transparent auf dem Tisch liegt«.
  • Der Zocker. Ich war verwundert, ja phasenweise sogar bestürzt, wie Hoeneß die Fragen des Richters zu seinen Millionentransaktionen beantwortete. Bestürzt, mit welcher Unwissenheit da augenscheinlich Unsummen hin- und herbewegt worden sind. Richter Rupert Heindl stellte konkrete Fragen zu Geschäften mit Devisen, Futures und zum Security Lending. Er wollte erfahren, ob strategisch investiert wurde. Auf die bohrenden Fragen wusste Hoeneß nicht konkret zu antworten, verstand meiner Meinung nach Generelles und Feinheiten im Handel mit Futures nicht, aber setzte trotzdem Transaktion um Transaktion mit hohen Geldbeträgen um. Oft bzw. meistens sogar zumeist mit (hohen) Verlusten am Ende. Wir wussten ja bereits vorher, dass es auch »eng« um Hoeneß Finanzkraft stand. Er selbst sprach von einem erlittenen »Millionenverlust«. Die Art und Weise wie dieser zustande kam, verstörte mich während der Verhandlung zutiefst.
  • Masse an Transaktionen & Unterlagen. Schon vor Verhandlungsbeginn war klar, dass es nicht um ein paar hundert, sondern um tausende von Geschäften, Einträgen und Handlungen geht, die im Prozess beachtet werden müssen. Insgesamt liegt dem Gericht die wahnsinnige Anzahl von 70.000 Blatt Papier vor. Hoeneß selbst habe während all der Jahre nie einen Kontoauszug seines Schweizer Nummernkontos in der Hand gehabt, sondern immer nur auf den Kontostand geachtet und eng mit seinem Devisenberater zusammengearbeitet. Das »reine Zockerkonto« soll dabei keine Zu- und Abgänge aus Überweisungen verzeichnet haben. Der Bayernpräsident spricht davon höchstens etwas »bar« abgehoben zu haben – Verstrickungen mit weiteren Konten sind daher nach aktuellem Stand unwahrscheinlich.
  • Strategie der Verteidigung. Hoeneß-Verteidiger Feigen schoss zwei Mal scharf in Richtung seines Mandandten, als der keine klare Aussage traf: »Erzählen sie doch keinen vom Pferd! Sie sind damals gelaufen, ihnen sind die Gäule durchgegangen! Auf den Punkt bitte.« Hintergrund war die Nachfrage des Richters zu den Recherchen des Stern-Journalisten. Er wollte konkret wissen, inwiefern sie den Zeitpunkt der Selbstanzeige mitbestimmt haben. Wie schon im Absatz über den »Zocker« erwähnt, wurde Uli Hoeneß als oftmals Unwissender bzw. nicht mit ausreichenden Erkenntnissen ausgestatteter Mann, der anscheinend absolut schlecht beraten worden ist, dargestellt. Das Selbstbewusstsein mit dem er den Gerichtssaal um kurz vor 9.30 Uhr betrat, war schnell verschwunden.
  • Zeugen & Stern-Recherche. Mit seinen Recherchen hat Stern-Reporter Johannes Röhrig viel Bewegung in den Hoeneß-Prozess gebracht. In der Befragung der ersten beiden Zeugen – einem Steuerfahnder aus Stuttgart und München, die Röhrig kontaktiert hatte und heute beide als Zeugen geladen waren – konnte man einen Einblick in die Recherche bekommen. Im September 2012 meldete sich der Reporter beim Stuttgarter Steuerfahnder, um sich über ein Schweizer Bankkonto und Devisenvorgänge zu erkundigen. Konkret wurde es dabei noch nicht. Nach Aussage des Zeugen ging es im ersten Gespräch nie um Fußball oder einen Verein. Seine Einschätzung zum gesamten Vorgang war eher, dass das Nummernkonto aber keineswegs sein Inhaber bekannt war. Er vermittelte dann auch den Kontakt nach München. Dort ging dann auch die Spekulation um einen »bayrischen Fußballverein« bzw. sogar einen »Aufsichtsratsvorsitzenden« weiter. An dieser Stelle muss man einfach betonen, dass es um Spekulationen in mitunter sehr kurzen Telefonaten zwischen den Steuerfahndern oder mit Johannes Röhrig geht. Konkrete Aussagen gab es nicht und auch alles andere als Beweise bzw. Hinweise auf Uli Hoeneß. Die zwischenzeitlich als »Sensationsmeldung« durch die Kanäle gejagten 800 Millionen Schweizer Franken eines Fußballvereins waren ebenfalls nur Spekulation zwischen Fahnder und Reporter. Die Bewertung der Vorgänge muss absolut getrennt von möglichen Eilmeldungen gesehen werden. Sonst wird aus einer solchen kurzen Bemerkung, die das Verfahren nicht beeinflussen wird, weil sie so spekulativ ist, eine haltlose Darstellung. Der dritte Zeuge, der Hoeneß beim Erstellen der Selbstanzeige half, wollte seine Aussage verweigern. Schlussendlich wurde seine bereits vor der Verhandlung abgegebene Stellungnahme verlesen. Mein Eindruck nach der Zeugenbefragung ist folgender: Der Stern war an einer Story zum Nummernkonto dran und recherchierte deshalb bei Steuerfahndern. Rückschlüsse auf Uli Hoeneß konnte man nicht machen. Als letzten Antrag des Tages reichte die Verteidigung eine E-Mail vom April 2013 ein, die beweisen soll, dass erst mit der Selbstanzeige (und ihrem Bekanntwerden) der Name »Hoeneß« in Zusammenhang mit dem Stern-Artikel gebracht werden kann.

Storify mit interessanten Aussagen & Infos aus dem Gerichtssaal

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