FC Bayern – Real Madrid 0:4 (0:3)

Steffen Trenner 30.04.2014

Falls Ihr es verpasst habt: Real Madrid steht im Champions League-Finale 2014. 0:4. Klarer als es wohl jeder erwartet hätte. Madrid zieht über zwei Spiele gesehen verdient ins Endspiel ein. Sie waren zwei, vielleicht sogar drei Tore besser. Fünf gewiss nicht. Für die Bayern ist der Traum von der Triple-Verteidigung vorbei. Mit dem extrem schweren Pokalfinale gegen den BVB bleibt die Möglichkeit aus einer guten, eine sehr gute Saison zu machen. Meistertitel und Champions League-Halbfinale sind aller Ehren Wert, auch wenn die Deutlichkeit der Niederlage gegen Real weh tut.

Guardiola begann mit der denkbar offensiv ausgerichteten Ausrichtung mit Lahm auf der rechten Außenverteidiger-Position, Müller auf der 10 und Kroos neben Schweinsteiger in der Zentrale. Bayern begann angetrieben von einer tollen Choreographie im Stadion hochmotiviert und mit hohem Tempo. Madrid wie erwartet abwartend und nur in Phasen mit eigenem hohen Pressing. Der Wille der Münchener den Eindruck der selbstzufriedenen Ballbesitz-Mannschaft zu zerstreuen war spürbar. Nach einem Konter klärte Dante in der 16. Minute etwas unglücklich zur Ecke. Sergio Ramos köpfte die von Modric geschlagene Hereingabe ins Tor. Wenige Minuten später erhöhte erneut Ramos nach einem Freistoß auf 2:0. Das Spiel lief danach weiter. Der Kampf um den Einzug ins Endspiel war jedoch vorbei.

Madrid nutzte in der Folge Bayerns etwas kopfloses Anrennen für einige sehenswerte, schnelle Konter. Ronaldo erhöhte noch vor der Pause auf 3:0. Nach dem Seitenwechsel war klar, dass es für die Gastgeber nur noch um Gesichtswahrung ging. Das gelang ganz ordentlich auch wenn der Ehrentreffer nicht mehr fiel. Auf der Gegenseite setzte dafür Ronaldo mit einem flachen Freistoß den Schlusspunkt unter ein aus Münchener Sicht denkbar schlechtes Spiel. Das wars.

4 Dinge, die auffielen:

1. Ausgerechnet Standardsituationen

Es ist schon ein wenig absurd. Wohl noch nie wurde in Fußball-Deutschland so viel über Taktik diskutiert wie in den vergangenen zwei Wochen rund um Duell Bayern München gegen Real Madrid. Und dann entscheiden zwei Standardsituationen dieses Spiel. Es ist im Nachhinein völlig wertlos und interessiert verständlicherweise niemanden, aber für 20 Minuten war es im Wesentlichen das Spiel, das die Münchener sich vorgenommen hatten. Die Bayern waren extrem aggressiv, kombinierten recht schnell in Richtung Strafraum und hatten Reals Konter gut im Griff. Natürlich fehlten auch die eigenen großen Chancen, aber das Spiel war bis dahin ok und offen. Vielleicht hat sich Bayern sogar ein wenig anstecken lassen von den Diskussionen, um das angeblich zu langsame Spiel der letzten Wochen. In bestimmten Phasen war mir das Spiel der Münchener fast zu direkt und auf einen offenen Schlagabtausch ausgelegt.

Das 0:1 nach einer Ecke war ein Schock, das 0:2 die Entscheidung. Dass Real die Münchener mit ihren perfekten Kontern danach teilweise bloßstellte, ist ärgerlich, aber für den Spielverlauf nicht mehr entscheidend, beziehungsweise mit Blick auf den 0:2-Rückstand erklärbar. Dass Bayern in der zweiten Hälfte mit Javi Martínez auf dem Feld Madrids Konter viel besser im Griff hatte, als zwischen der 20. und 45. Minute ist kein Zufall und sollte Guardiola mit Blick auf seine Startaufstellungen in beiden Spielen gegen Real zumindest zu denken geben.

Gibt es ein grundsätzliches Problem der Bayern bei Standardsituationen? Nicht unbedingt. Im Hinspiel gegen Manchester United kassierten die Münchener ebenfalls einen Treffer nach einer Ecke. Im Vorjahr traf der FC Arsenal ebenfalls mehrfach nach Ecken. Ein Dauerproblem ist dennoch nicht unbedingt zu erkennen. Bayern verteidigt in der Regel konsequent im Raum, deckt die Pfosten nicht ab – ein echter systemischer Fehler ist auch bei diesen Gegentoren nicht zu erkennen. Das 0:2 mit dem gut getretenen Freistoß und der Kopfball-Verlängerung ist kaum zu verteidigen. Beim 0:1 ist es etwas unerklärlich warum Ramos und vor ihm ein weiterer Madrilene mit hohem Tempo in den Ball hinein gehen dürfen. Ein individueller Fehler von Müller oder Mandzukic – je nach Zuteilung. Auch Manuel Neuer sprach nach dem Spiel davon, dass die Raumdeckung ja gerade dazu führen soll, die Laufwege der Angreifer zu blocken.

Madrid ist in der spanischen Liga die torgefährlichste Mannschaft nach Standardsituationen. Es war eine Ecke und ein Freistoß, die das Champions League-Halbfinale endgültig entschieden. Alles was danach kam, war bitter, aber nicht mehr wirklich relevant.

2. Die Mannschaft mit dem besten Einzelspieler kommt weiter

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In den NBA-Playoffs, die zur Zeit in den USA laufen, gibt es eine Weisheit, die immer wieder wiederholt wird. Die Mannschaft mit dem besten Einzelspieler gewinnt am Ende die Serie. Auf den Fußball ist das nicht unbedingt immer zu übertragen. In den beiden Spielen zwischen Bayern München und Real Madrid schon. Luka Modric war in beiden Spielen der beste Spieler auf dem Feld. Er dominierte assistiert vom Stabilität gebenden Xabi Alonso das Mittelfeldzentrum und war auch im Vergleich zu seinem Pendant Schweinsteiger der klar bessere Spieler. Er ist der Schlüssel für Reals Spiel. Er fand den Weg durch Bayerns Gegenpressing, er macht Reals Spiel so wunderbar vertikal und er ist gleichzeitig ein giftiger Zweikämpfer, der im Rückspiel 11 Bälle in teilweise extrem wichtigen Situationen gewann. Sein Eckstoß vor dem 1:0 war einer der Besten, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Es ist faszinierend diesen Spieler im Zenit seiner Leistungsfähigkeit spielen zu sehen. Er war der Spieler dieses Halbfinal-Duells und hat wesentlichen Anteil an Madrids Weiterkommen. Ich hätte es gern gesehen wie es ausgegangen wäre, wenn die Münchener ihm Thiago hätten entgegen stellen können…

3. Quo vadis Toni Kroos

Ich war vor dem Spiel der Ansicht, dass dieses Spiel gegen Real Madrid sehr entscheidend dafür werden könnte, wie es mit Toni Kroos beim FC Bayern weitergeht. Er ist der einzige Schlüsselspieler, dessen vertragliche Situation in München ungeklärt ist. Guardiola vertraute ihm neben Bastian Schweinsteiger auf der Doppelsechs. Trotz eines gewissen öffentlichen Drucks für Javi Martínez, trotz wechselhafter Ergebnisse dieser Kombination in der jüngeren Vergangenheit. Toni Kroos diese Niederlage oder dieses Ausscheiden anzulasten wäre Quatsch. Aber es bleibt dabei, dass in seiner Vita ganz anders als bei Schweinsteiger oder Philipp Lahm der Nachweis fehlt, dass er die Mannschaft in kritischen Phasen tragen kann. Die Spiele gegen Madrid waren da keine Ausnahme. Er wirkte in bestimmten Phasen des Spiels überfordert mit Reals Tempo und Robustheit. Es gibt Spieler wie Arjen Robben oder Philipp Lahm, die machen individuell gute Spiele, egal ob ihre Mannschaft gut ist oder nicht. Und es gibt Spieler, die sind gut wenn ihre Mannschaft gut ist und eher schwach wenn ihre Mannschaft schwach ist. Toni Kroos gehört in seiner bisherigen Karriere eher in die zweite Kategorie.

Schweinsteiger ist in einer Phase seiner Leistungsentwicklung, in der er im Mittelfeldzentrum gerade defensiv Hilfe benötigt, um der Mannschaft insgesamt weiterzuhelfen. Kroos und Schweinsteiger haben ähnliche Stärken und Schwächen. Sie ergänzen sich deshalb nicht ideal. Das habe ich hier im Blog mehrfach ausgeführt. Einen dieser Spielertypen wird Bayern aber auch in den kommenden Jahren dringend benötigen. Für mich ist Kroos im Prinzip der logische Nachfolger für Schweinsteiger. Er hat alle Qualitäten, die den Co-Kapitän auf der Position im zentralen Mittelfeld zur Weltklasse geformt haben. Das Zeitfenster für den Nachweis, dass Kroos diese Rolle mittel- und langfristig in München übernehmen kann, wird jedoch kleiner.

4. Mandzukic und Ribéry verlieren die Nerven

Ich will nicht unerwähnt lassen, dass ich mich in der ersten Hälfte zum ersten Mal seit langer Zeit ein wenig für zwei Spieler des FC Bayern geschämt habe. Mario Mandzukic und Franck Ribéry verloren nach dem Rückstand sichtbar die Nerven. Ribéry ließ sich zu einer Watschn gegen Carvajal hinreißen, Mandzukic hatte mehrere fragwürdige Diskussionen und Schubsereien. Beide wandelten am Rande eines Platzverweises. Ich empfand ihr Verhalten in der ersten Hälfte insgesamt als erbärmlich. Pepe und Sergio Ramos sind wahrscheinlich zwei der schlimmsten Provokateure, die je ein Champions League-Halbfinale erreicht haben, aber das ist bekannt. Die richtige Antwort wäre hartes, nicht überhartes Spiel und ein breites Grinsen gewesen. Es ist verständlich, dass ein solcher Rückstand nach den hohen Erwartungen vor dem Spiel nur schwer zu verkraften ist. Von Profis des FC Bayern erwarte ich aber zumindest auf dem Platz ein souveräneres Auftreten. Auch wenn es der wohl bitterste Moment für diesen Verein sein fast zwei Jahren war.

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Es war das Aus im Halbfinale der Champions League. Es war ein verdientes Aus gegen einen besseren und glücklicheren Gegner. Und es war trotzdem die dritte richtig gute Champions League-Kampagne der Münchener in den letzten vier Jahren. Im nächsten Jahr gibt es international nichts mehr zu verteidigen, aber dafür wieder etwas zu gewinnen.