Was der FC Bayern jetzt lösen muss

Steffen Trenner 26.03.2015

5 Dinge, die der FC Bayern jetzt lösen muss:

1. Offensive Durchschlagskraft ohne Arjen Robben

Arjen Robben ist wahrscheinlich der beste Offensivspieler der Bundesliga in den vergangenen fünf Jahren. International belegt er in diesem Zeitraum sicherlich einen Platz in den Top-5. Allein deshalb ist der 31-Jährige extrem schwer zu ersetzen. 17 Tore und 7 Assists stehen für Robben in der Liga zu Buche. In der Champions League sind es zwar aktuell nur zwei Treffer, doch der Einfluss von Robben auf das Offensivspiel der Bayern ist hier ähnlich groß. Laut Whoscored.com hat Robben pro Spiel die meisten Torschüsse aller Bundesligaspieler (4,2), die fünftmeisten key-passes (2,4) sowie die zweitmeisten erfolgreichen Dribblings (4,5). Innerhalb des FC Bayern führt er mit Ausnahme der Assists alle offensiven Statistiken an. Teilweise mit Abstand. In 19 Partien in denen Robben in der Bundesliga über 45 Minuten auf dem Platz stand holte der FC Bayern im Schnitt 2,7 Punkte schoss 3,1 Tore pro Spiel. In den sieben Spielen in denen er nicht oder nur kurz auf dem Platz stand gelangen nur 1,7 Punkte und 1,5 Tore pro Partie. Ohne ihn gab es Unentschieden auf Schalke, in Hamburg und bei Borussia Mönchengladbach. Dazu nach seiner frühen Auswechslung die Niederlage am Sonntag. Die Zahlen könnten nicht deutlicher nicht sein.

Die Abhängigkeit von Robben (und Ribéry) ist seit Jahren beim FC Bayern ein geflügelter Begriff, der jedoch nicht überbewertet werden sollte. Natürlich ist eine Mannschaft immer von einem ihrer besten Spieler abhängig. Natürlich verändert sich das Spiel, wenn dieser Spieler fehlt. Durch Robbens längerfristigen Ausfall auf Grund der Bauchmuskelverletzung hat Guardiola aber die Chance, einen Plan ohne ihn zu entwickeln. Diese Chance gibt es bei kurzfristigen Ausfällen oder innerhalb eines Spiels meist nicht. Zumal nach dem Abgang von Shaqiri auch kein spielertypisches Äquivalent im Kader vorhanden ist.

Gut möglich, dass Bayerns Offensivspiel in den kommenden Wochen wieder etwas zentrumslastiger wird. Vor allem dann, wenn Thiago als zusätzlicher 8er zurück kommen und mit Götze, Müller und Lewandowski mehr Kombinationsoptionen entwickeln könnte. Die rechte Seite könnte dann zum Beispiel allein von Rafinha oder Lahm bearbeitet werden. Auch Müller hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er in einer frei interpretierten Rolle auf dem rechten Flügel sehr effektiv sein kann – wenn auch in einer ganz anderen Ausrichtung als im dribblingintensiven Spiel von Robben. Wichtig wird in diesem Zusammenhang auch die Fitness von Franck Ribéry. Fallen beide Flügel aus, fehlt Bayern ein komplettes Element im Offensivspiel. Robben und Ribéry sind ein wandelndes Double-Team und binden mit fast jeder Ballberührung zwei oder drei Spieler auf dem Flügel. Ohne beide bliebe ansonsten allein Alaba und mit Abstrichen Bernat für Tempodribblings auf dem Flügel.

In der Triple-Saison 2012/2013 ist Toni Kroos in einer ähnlichen Saisonphase für den Rest der Saison verletzt ausgefallen. Heynckes musste damals Lösungen finden, wie er seine Qualitäten in drei Wettbewerben ersetzt. Guardiola steht jetzt mit Robbens Ausfall vor einer ähnlichen wenn auch ungleich schwereren Aufgabe. Denn eins zu eins sind Robbens Qualitäten auf dem rechten Flügel in diesem Kader nicht zu ersetzen. Guardiola muss Bayerns Offensivspiel gerade gegen tiefstehende Gegner anpassen, um in den anstehenden Duellen Durchschlagskraft zu entwickeln.

2. Integration der Rekonvaleszenten

Guardiola bleibt wenig Zeit, um die Rückkehrer Lahm und Thiago in die Mannschaft zu integrieren. Hinzu kommen mit Ribéry und Benatia zwei Spieler, die seit Wochen mit kleineren Verletzungen zu kämpfen haben. Nach einer wie immer komplizierten Aufgabe in Dortmund steht vielleicht die sportlich schwerste Prüfung der kommenden drei Wochen an: das Pokalspiel bei Bayer Leverkusen. Danach geht es mit Frankfurt, Porto, Hoffenheim und erneut Porto weiter Schlag auf Schlag. Positiv ist, dass Lahm und Thiago die komplette Länderspielpause nutzen können, um zumindest im Training weiter Rhythmus aufzunehmen. Lahms Form ist nach seinen beiden Kurzeinsätzen in der Bundesliga kaum zu bewerten. Anders als zum Beispiel bei Schweinsteiger gibt es auch kaum Erfahrungswerte, wie schnell er nach längerer Pause wieder spielfit wird. Thiago ist seit einem Jahr ohne Pflichtspieleinsatz und braucht wahrscheinlich drei, vier Spiele.

Guardiola muss sehr genau überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist, beide zu integrieren. Nach den Eindrücken der letzten Wochen zeichnet sich ab, dass Lahms Startelf-Comeback kurz bevor stehen und er schon gegen Dortmund gemeinsam mit Alaba sowie Alonso oder Schweinsteiger das zentrale Mittelfeld bilden könnte. Spannend wäre auch eine Variante bei der Lahm einen hineinkippenden Rechtsverteidiger gibt wie im Vorjahr zum Beispiel gegen Manchester United, als er im Prinzip zwei Positionen in einer bekleidete und je nach Situation über seine Positionierung auf dem Feld entschied. Die kommenden knapp zehn Trainingstage bis zum Auftakt der heißen Phase gegen Dortmund werden intensiv.

3. Entscheidung für ein Innenverteidigerpärchen

Guardiola sollte sich zumindest für die K.o.-Spiele gegen Leverkusen und Porto auf ein Innenverteidigerpärchen festlegen. Stärker als auf vielen anderen Positionen ist die Abstimmung zwischen diesen beiden Spielern im Verbund mit Torwart Neuer absolut kritisch für den Erfolg. Da zuletzt auch immer mal wieder über die Konterabsicherung und ein zu weites Herausrücken der Innen- und Außenverteidiger diskutiert wurde, sollte hier Mahnung genug sein.

Boateng scheint aktuell einen Vorsprung vor Dante, Benatia und Badstuber zu haben und ist wohl gesetzt. Es gibt sehr viele gute Argumente für Benatia als Partner des Nationalverteidigers in den anstehenden K.o.-Spielen. Benatia und Boateng bilden ein geradezu furchterregend zweikampfstarkes Duo, das Kopfballstärke und Schnelligkeit auf sich vereint. Benatia stand in 18 Pflichtspieleinsätzen in dieser Saison gerade einmal bei zwei Gegentreffern aus dem Spiel heraus auf dem Feld. Einzig die 2:3-Niederlage gegen Manchester City, die Benatia durch eine Rote Karte in der 21. Minute selbst mit einleitete fällt aus einem ansonsten sehr guten Gesamtbild heraus. Benatia führt den FC Bayern laut Whoscored.com bei den abgefangenen Bällen (1,8 pro Spiel in der Bundesliga/2,6 pro Spiel in der Champions League) an. Bei den effektiven Klärungen (2,8/2,6) liegt er jeweils auf Platz 2. Auffällig ist, dass er im Vergleich zu allen anderen Verteidigerkollegen am häufigsten zu Fouls greift. Neben der Passquote vielleicht ein Argument, dass gegen Benatia spricht. Badstuber belegt hier mit knapp 93 Prozent erfolgreichen in der Bundesliga und in der Champions League einen absoluten Spitzenplatz.

Badstuber ist so etwas wie die Feel-good-Story dieser Bayern-Saison. Trotz seines zwischenzeitlichen verletzungsbedingten Rückschlags hat er sich einen festen Platz in der Rotation erspielt und ist zurecht auch in die Nationalelf zurückgekehrt. Kleine Fragezeichen bei der Wendigkeit und Spritzigkeit bleiben noch, aber Badstuber hat als Linksfuß einen weiteren Vorteil auf seiner Seite. Dante bleibt zur Zeit wohl nur die Rolle als Backup.

Guardiola kann hier zwischen mehreren guten Varianten wählen. Selbst wenn er auf eine Dreierkette setzen sollte, spricht wie in der Vergangenheit viel dafür, dass darin nur zwei echte Innenverteidiger ihren Platz finden. Der Coach sollte dem Duo seiner Wahl in den kommenden Wochen die Möglichkeit geben, gemeinsam Rhythmus aufzunehmen.

4. Mehr Variabilität

Wir hatten es schon in der Analyse zur Partie gegen Mönchengladbach angedeutet. Dem FC Bayern ist die in der Hinrunde so hoch gelobte Variabilität ein wenig abhanden gekommen. Zwar verschiebt Guardiola immer noch einzelne Puzzlestücke hin und her. Erfolgreiche Ad-hoc-Systemwechsel wie in der Hinrunde gegen Wolfsburg, Dortmund und Manchchester City gab es zuletzt aber so gut wie nie. Vor allem die Dreierkette, die in der Hinrunde mehrfach im Verlauf einer Partie zum Einsatz kam und damit die Abstände auf dem Feld völlig veränderte, fehlt aktuell im Repertoire des Rekordmeisters. Im Prinzip eignet sich eine Formation mit Dreierkette sowohl gegen einen tiefstehenden Gegner (intuitivere Konterabsicherung, zusätzlicher Spieler in Mittelfeld oder Angriff) als auch gegen eine starke Pressing-Mannschaft (Auseinanderziehen der Pressinglinie, vorstoßender zentraler Innenverteidiger, kein umständliches Abkippen des 6ers). Guardiola, der ursprünglich mal mit Martínez als zentralem Verteidiger einer Dreierkette geplant hatte, scheute zuletzt die Dreierkette. Wohl vor allem deshalb weil Alaba, der in der Hinrunden einen genialen linken Halbverteidiger gegeben hatte, im Mittelfeld gebraucht wurde. Durch die Rückkehr von Lahm und demnächst auch Thiago gäbe es hier wieder Anknüpfungspunkte. Eine Dreierkette mit drei Innenverteidigern ist grundsätzlich denkbar, wenn auch bisher kaum erprobt.

Auch in anderen Bereichen sollten die Münchner ihren Esprit und ihren Mut zur Überraschung wieder ein wenig stärker herauskehren. Zuletzt war hier ein Einrücken der beiden Flügelspieler auf eine verkappte Halbposition im Mittelfeld das höchste der Gefühle. Auch wenn das Bremen-Spiel auf Grund der riskanten Spielweise der Werderaner nur bedingt als Paradebeispiel gelten kann, hat es gezeigt wie sehr Götze, Müller und Lewandowski von freieren, positionsungebundenen Rollen profitieren können. Auch gegen tiefstehende Gegner muss in den kommenden Wochen ohne Arjen Robben stärker auf dem Feld rotiert und die gegnerische Hintermannschaft damit in Bewegung gebracht werden. Das gilt auch für durch Guardiola angesagte Positions- und Formationswechsel während eines Spiels. Personell wird es nämlich auch in den kommenden Wochen wenig Möglichkeiten geben, von der Bank heraus offensive Akzente zu setzen. Vieles muss aus dem Spiel selbst heraus entstehen.

5. Spannung und Entspannung

Die sportliche Führung des Vereins wird in den kommenden Wochen die richtige Mischung zwischen Spannung und Entspannung finden müssen. Es gilt in den emotionalen K.o.-Spielen genauso zu bestehen wie im Tagesgeschäft Bundesliga, wo alles für die dritte Meisterschaft in Folge spricht. Aber die Punkte gegen Teams wie Frankfurt, Hoffenheim oder Hertha BSC müssen dann auch konsequent und seriös eingefahren werden. Mit der Niederlage gegen Mönchengladbach hat die Mannschaft einen Matchball vergeben. Der ein oder andere wird darüber mit Blick auf das Vorjahr und dem Spannungsabfall nach gewonnener Meisterschaft Ende März noch nicht einmal unglücklich sein.

Der Vorsprung auf den VfL Wolfsburg beträgt immer noch komfortable zehn Punkte. Die Wölfe haben mit dem HSV und Stuttgart allerdings zwei dankbare Aufgaben vor der Brust. Niemand weiß besser als der FC Bayern welche Dynamik bestimmte Konstellationen entfalten können. Ist der Vorsprung erst einmal auf 6-7 Punkte geschmolzen kann vier, fünf Spieltage vor Schluss auch emotional immer noch einiges passieren. Das sollte durch klare Ergebnisse verhindert werden. Es wird spannend zu sehen sein, wie Guardiola die unterschiedlichen Anforderungen im Kader an Spielrhythmus, Spannung und Entspannung zusammenbringt. Auch die ein oder andere gut dosierte Rotation kann hier in den kommenden Wochen eine Antwort sein.