FC Bayern München Frauen - MSV Duisburg

Auf Augenhöhe mit der Spitze Europas?

Jolle Trenner 21.02.2015

Beide Teams haben sich in der Transferphase nochmal verstärkt. Bayern holte die isländische Offensivkraft Dagny Brynjarsdottir, der VfL verpflichtete Weltmeisterin Yuki Ogimi vom FC Chelsea und Ex-Bayern-Urgestein Julia Simic von Turbine Potsdam. Leihgabe Amber Brooks hat den FCB dagegen im Winter wieder verlassen. Schneller als erwartet fand sich das neugemischte Münchner Team unter Trainer Tom Wörle zusammen, überraschte Taktikliebhaber und Gegner gleichsam mit seiner modernen 3-5-2-Formation und mischte die Liga auf. Im Hinspiel konnte man auswärts in Wolfsburg ein 0-0 holen, wobei man dem Sieg näher war als der VfL. Die zwei anderen Spitzenteams des deutschen Frauenfußball-Dreigestirns, Potsdam und Frankfurt, konnte der FC Bayern auswärts bezwingen und hat sich den Tabellenplatz vor ihnen redlich verdient.

Überflieger auf der Überholspur?

Bei jeder Pressekonferenz musste Wörle die Erwartungen dämpfen, nun das Saisonziel Meisterschaft auszurufen. Viele mögen das als Kleinmacherei und Koketterie gedeutet haben, als Botschaft an die eigenen Spielerinnen, nun möglichst nicht auszuflippen, sondern die Spannung hochzuhalten. Fast lächerlich klang es, von der Tabellenspitze herab das langfristige Ziel auszugeben, sich in der Bundesliga unter den Top-4 etablieren zu wollen. So dürfte es Wörle ganz recht gewesen sein, auf dem zweiten Platz zu überwintern und sich während der Vorbereitung ein wenig verstecken zu dürfen. Ebenfalls dürfte zur Erdung die Niederlage gegen Frankfurt im Pokal im letzten Spiel vor der Winterpause sowie das Ausscheiden gegen Wolfsburg im Hallenpokal beigetragen haben. Klar, Hallenfußball ist eine andere Sportart und eine Pokalniederlage gegen den Rekordmeister kann dem besten Team passieren, aber die Aura der Unbesiegbarkeit war erstmal verflogen.

Dennoch muss sich der FC Bayern nicht verstecken und kann nun in der Rolle des Verfolgers mit vollem Elan angreifen. Vanessa #bumbumBürki, drückt es ähnlich wie der Trainer noch relativ zurückhaltend aus („von Spiel zu Spiel schauen“, „auf dem Boden bleiben“, „noch nichts erreicht“), möchte den aktuellen Tabellenplatz aber keinesfalls freiwillig räumen:

Wir sind Zweiter und werden diese Position selbst bei einer Niederlage nicht abgeben. Wir wollen da auch nicht mehr weg – außer natürlich, wenn es noch weiter nach oben gehen würde.Vanessa Bürki, 20.2.2015, fcbayern.de.

US-Amerikanerin Katherine Stengel drückt sich da schon angriffslustiger aus:

„Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass wir uns auf Augenhöhe [mit dem VfL Wolfsburg] bewegen. Ich gehe davon aus, dass das auch am Sonntag so sein wird.“ Katherine Stengel, 20.2.2015, dfb.de.

Pflichtschuldig weist auch Stengel noch darauf hin, dass man Potsdam und Frankfurt keinesfalls aus den Augen verlieren dürfe, und dass, um „Großes zu leisten“, Konstanz vonnöten sei.

Die Wahrheit ist, dass der FC Bayern noch ein ganzes Ende weg ist vom Format einer Spitzenmannschaft. Das Duell mit Wolfsburg ist ein Scheinkampf. Stengel hat Recht. Viel schwieriger, als mal den Gipfel zu erklimmen, ist es, sich dort oben zu halten. Wie familiär und kameradschaftlich ist das Mannschaftsgefüge, wenn es mal herbe Rückschläge zu verkraften gibt? Wie reagiert das Team, wenn die einst so überlegene Taktik dechiffriert ist. Haben die Bayern eine zweite Idee?

Fraglos hat der FC Bayern alles, was es braucht, um künftig eine solche Spitzenmannschaft, die all das kann, zu werden. In dieses Format muss sich das Team aber erst hineinentwickeln. Nichts spricht dagegen, bereit zu stehen, wenn Wolfsburg mal schwächelt. Nichts spricht dagegen, mit aller Kraft Sieg für Sieg auch schon in dieser Saison eine Überraschungsmeisterschaft zu feiern. Doch konstante Spitzenleistungen, wie sie Wolfsburg nun schon über Jahre zeigt, hat der FC Bayern noch nicht abgeliefert.

Was Sorge bereitet? Stillstand und der FFC

Der eigentliche Gegner ist der FFC Frankfurt. Turbine Potsdam gibt derzeit ein klägliches Bild ab. Die Spitzenspielerinnen verlassen den Club in bemerkenswerter Regelmäßigkeit. Der unbestritten äußerst erfolgreiche Trainer Bernd Schröder ist mit kurzer Unterbrechung seit 1971 im Verein. Das ist der Mann, von dem Nadine Angerer bei ihrer Buchvorstellung ausplauderte, niemals habe sie so viele Spielerinnen nach dem Training kotzen sehen wie bei Turbine. Letzte Woche ging man 5:1 in Frankfurt unter. Die Frage ist, ob Bernd Schröder der richtige Mann ist, um Turbine neu zu erfinden und ein modernes Spielsystem zu entwickeln. Derzeit sieht es eher nach einem Abrutschen ins Mittelmaß denn nach einer Neuausrichtung aus.

Ganz anders der FFC Frankfurt. In der Hinrunde gaben die Stareinkäufe um Veronica Boquete noch keine Mannschaft ab. Und so verlor man gegen Wolfsburg, Bayern und auch Potsdam. Doch nur zwei Wochen, nachdem man den Münchnern den Sieg im eigenen Hause fast geschenkt hatte, schlug der FFC unter Colin Bell mit derselben Taktik, die sonst der FCB spielte, mit aller Macht zurück und warf die Bayern mit den eigenen Waffen aus dem Pokal. Die Wende leitete man also bereits im Dezember ein — nicht erst nach der Winterpause. Frankfurt hat nun nicht nur Hochkaräter im Kader, diese haben sich mittlerweile auch zu einer Mannschaft geformt, die taktisch variieren kann. Auch Potsdam wusste wie schon der FCB kein entsprechendes Mittel gegen den Druck, den Frankfurt so schon weit in der gegnerischen Hälfte entfaltete.

Aus dem Trainingslager der Bayern gab es Meldung, Tom Wörle hätte sein Team ebenfalls taktisch aufgefrischt und neue Formationen einstudieren lassen. Das kann man nur hoffen. Da das erste Spiel im neuen Jahr lediglich den in Hoffenheim anwesenden Augenzeugen vorbehalten war, ließ sich diese Aussage noch nicht überprüfen. Der VfL Wolfsburg wird nun der erste wahre Praxistest, der zeigen wird, ob sich die Bayern, einmal in ihrem Hinrundenflow unterbrochen, weiterentwickelt und stabilisiert haben oder nicht. Frankfurt liegt aktuell noch fünf Punkte hinter dem FCB auf dem dritten Tabellenplatz. Der Zweite qualifiziert sich für die Champions League. Das muss das Ziel sein: Frankfurt auf Abstand halten und sich im nächsten Jahr mit allen Eindrücken aus drei Wettbewerben weiterentwickeln. Wolfsburg spielt dagegen (noch) auf einem anderen Stern.