Arturo Vidal wechselt zum FC Bayern

Steffen Trenner 16.07.2015

Vidal verbindet eine Geschichte mit dem FC Bayern. Jupp Heynckes wollte den damals 24-Jährigen im Jahr 2011 mit nach München bringen. Vidal sagte zu und wechselte dann doch nach Turin. Rummenigge sprach danach von einer Charakterschwäche. Inzwischen wurde klar, dass Bayer Leverkusen den Transfer nach München wohl verhindern wollte. Zu Bayer geholt hatte Vidal übrigens Michael Reschke, der heute eine extrem einflussreiche Rolle bei den Personalplanungen in München spielt. Sein damaliger Mitarbeiter und heutige Kaderchef von Bayer Leverkusen Jonas Boldt hatte Vidal entdeckt. Vidals Berater Fernando Felicevich war schon 2007 derjenige, der mit Leverkusen und Reschke den Transfer abwickelte. Der technische Direktor der Münchner wird auch dieses Mal eine Schlüsselrolle bei der bevorstehenden Verpflichtung von Vidal gespielt haben.

Raumgreifender Zweikämpfer

Vidal spielte in der abgelaufenen Saison in Turin auf allen Mittelfeldpositionen und ist als Variante auch auf der rechten Verteidiger-Position denkbar. Zentral im Mittelfeld ist er jedoch eindeutig am stärksten. Gemeinsam mit Claudio Marchisio und/oder Paul Pogba bildete er ein gleichermaßen spiel- wie zweikampfstarkes Mittelfeld um Regisseur Andrea Pirlo herum. Vidal bringt enorm viel Energie auf den Platz, ist sehr viel unterwegs und ein intensiver Zweikämpfer. 3,8 erfolgreiche Tacklings pro 90 Minuten in der abgelaufenen Saison bedeuten Platz 3 in der Serie A unter allen Mittelfeldspielern. In der Champions League lag er mit 4,5/90 Minuten auf Rang 9. Vidal bewegt sich in seiner Zweikampfführung häufig am Rande der Legalität, was ihm in der abgelaufenen Champions League-Saison Rang vier bei den Fouls pro 90 Minuten einbrachte. Trotz des schlechten Rufs, der ihm diesbezüglich vorauseilt, ist er seit seinem Wechsel aus Leverkusen nach Turin im Sommer 2011 wettbewerbsübergreifend erst ein Mal vom Platz geflogen. Dafür kassierte er in jeder Serie A-Saison mindestens 7 gelbe Karten.

Offensiv ist Vidal recht torgefählich und sammelte in jeder seiner vier Saisons in Turin mindestens 10 Scorer-Punkte (darunter jedoch auch einige Elfmeter). In seinem letzten Jahr in Leverkusen waren es sogar 21. Auch wenn der Ex-Leverkusener mit dem Ball am Fuß nicht der filigranste ist, hat er dank seiner guten Ballbehauptung wenig Probleme in engen Räumen und fühlt sich auch in Strafraumnähe wohl. Vor allem dann, wenn er im Rücken der Abwehr mit Wucht nachrückt. Die gegen Bayern häufig extrem tiefstehenden Gegner werden jedoch auch für ihn eine neue Herausfoderung sein.

Im Vergleich zu seinem aufgedrehten Spiel in Leverkusen hat der Chilene in Italien auch ein paar strategische Elemente zu seinem Spiel hinzugefügt. Er sucht nicht mehr ausschließlich den direkten Weg in Richtung Ball, Tor oder Gegner und ist noch kompletter geworden. Etwas mehr Ruhe und Präzision könnten seinem Spiel jedoch nach wie vor gut tun. Dies wird insbesondere mit Blick auf seine Rolle in Bayerns sehr systematischem und diszipliniertem Gegenpressing zu beobachten sein.

Vidal kann in gewisser Weise durchaus als direkter Ersatz für den Schweinsteiger der Vorsaison gesehen werden. Dessen Rolle als raumgreifender 8er, der auch immer wieder in Richtung Strafraum vorstößt, ist Vidal wie auf den Leib geschneidert. Als giftiger und unerbittlicher Balleroberer würde „der kleine Krieger“, wie ihn Reschke einmal nannte zudem eine Qualität mitbringen, die so im Vorjahr vielleicht nur Sebastian Rode bieten konnte. Vidal soll so die defensiven Schwächen von Xabi Alonso und Thiago ein Stück weit neutralisieren und wäre fußballerisch eine passende Ergänzung.

Wie werden Kimmich und Højbjerg eingebunden?

Vidals Verpflichtung bringt erneut Bewegung in die Kaderbalance. Vor allem für Pierre-Emilie Højbjerg und Joshua Kimmich, die sich nach Schweinsteigers Abgang Hoffnung auf mehr Einsatzzeiten machen konnten, würde es auf den ersten Blick wieder etwas komplizierter werden. Auf den Zweiten gäbe es aber durchaus weiter Möglichkeiten. Vor allem dann, wenn Lahm und vielleicht auch Alaba wieder deutlich häufiger auf den Außenbahnen oder im Falle von Alaba einer Halbverteidigerposition auflaufen werden. Xabi Alonso soll in der kommenden Saison offenbar höchstens ein Spiel pro Woche bestreiten. Allein dadurch entstehen auf der 6 automatisch Einsatzmöglichkeiten. Gerade Kimmichs Perspektive würde sich so nicht unbedingt verschlechtern. Bei Højbjerg, der vielleicht etwas mehr als 8er zu sehen ist, bleibt abzuwarten, ob nicht doch noch zu einer weiteren Ausleihe gegriffen wird.

Nicht vergessen werden sollte, dass beide Spieler 19 Jahre alt sind und sich immer noch in einer Entwicklungsstufe befinden, in der sie sich an die Ansprüche an einen zentralen Mittelfelspieler in München gewöhnen müssen. Es ist auch die Aufgabe von Guardiola bei aller notwendigen Ergebnisorientierung die Entwicklung von jungen Spielern wie Højbjerg, Kimmich, Gaudino und Rode zu fördern. Auch daran muss sich der Coach messen lassen.

Neue Reize im Kader

Vidal ist fraglos ein Spieler, der polarisiert. Das haben schon die ersten Reaktionen auf den möglichen Transfer gezeigt. Er wird durch seine energiegeladene Spielweise wohl nicht lange brauchen, um viele Skeptiker mitzureißen und hinter sich zu bringen. Er muss aber auch beweisen, dass er als Spieler und Persönlichkeit gereift ist, wenn er den FC Bayern in den kommenden drei bis vier Jahren prägen will. Mit ihm wird Bayerns Kader in der Spitze breiter und in der Breite weniger nett. Letzteres muss nach titelreichen Jahren und ersten Sättigungserscheinungen nichts schlechtes sein. Im Gegenteil.