FC Arsenal – FC Bayern München 2:0 (0:0)

Steffen Trenner 20.10.2015

Arsenal startete mit zwei Niederlagen in die bisherige Champions League Saison. Sowohl gegen Piräus als auch gegen Zagreb verlor die Elf von Arsène Wenger, die sich mit einem 2:0-Erfolg gegen die Münchner zurückmelden.

Falls Ihr es verpasst habt:

Pep Guardiola verzichtete im Spiel gegen den stärksten Gruppengegner auf große Experimente. Die Hereinnahme von Bernat und die gleichbedeutende Viererkette war gegen den offensivstärksten Gruppengegner durchaus zu erwarten gewesen. Martínez, der sicher die erste Alternative gewesen wäre, blieb zunächst unten.

Arsenal begann mit Walcott in vorderster Front vor Özil, Sánchez und Ramsey in einem recht klassischem 4-2-3-1, das gegen den Ball zum 4-4-2 wurde.

Arsenal vs. FC Bayern, 20.10.2015
Arsenal setzte auf Konter. Zunächst in einem 4-3-2-1 System. Bayern fast klassisch im 4-1-4-1

Nach fünf Minuten betraten die Bayern-Fans nach einer Protestaktion gegen die Ticketpreise auf der Insel unter standing ovations das Stadion und gaben so gewissermaßen auch den Startschuss für das Spiel. Nur eine Minute später musste sich Neuer bei einem Özil-Schrägschuss richtig strecken, um den Rückstand zu verhindern. Lahm blockte Walcotts Nachschuss-Versuch zur Ecke.

Bayern versuchte es in der Folge mit einer Mischung aus geduldigen Kombinationen und weiten Diagonalbällen auf Douglas Costa. Thiago driftete häufiger als zuletzt immer wieder in den 8er Raum und versuchte zwischen Arsenals 6ern Torchancen zu kreieren. Lewandowski zog derweil immer wieder nach links. In der 10. Minute scheiterte Thiago nach einem schönen Doppelpass mit Müller an Arsenals Schlussmann Petr Cech.

Ab der 15. Minute übernahm Bayern zunehmend die Kontrolle über das Spiel. Arsenal ließ sich tief hinten reindrücken und wartete auf Konter. Bayern beließ es bei Nadelstichen und vermied allzu hohes Risiko. Douglas Costa prüfte Cech mit einem Schuss aus spitzem Winkel (18.) genauso wie zehn Minuten später Vidal mit einem Abschluss aus 18 Metern (28.). Auf der Gegenseite wurde es immer dann gefährlich wenn Mesut Özil oder Alexis Sánchez involviert waren. Walcott wurde nach glänzender Vorarbeit von Özil erst in letzter Sekunde im Strafraum gestoppt. Kurz danach drosch Alexis Sánchez eine in den Rücken geschlagene Ecke über das Tor (29.).

Arsenal taten diese beiden gelungenen Offensivaktionen sichtlich gut, denn das Wenger-Team wurde ab der 30. Minute deutlich mutiger und auch gefährlicher. Es war Manuel Neuer zu verdanken, dass es zunächst beim 0:0 blieb, als er einen Kopfball von Walcott aus kürzester Distanz mit einem unglaublichen Reflex von der Linie kratzte (33.). Awesome.

Bayern bekam in der Folge die Konter der Hausherren nur schwer in den Griff und ließ bis zur Pause noch vier bis fünf weitere Gegenstöße zu, die erst von den Innenverteidigern gestoppt werden konnten. Auf der Gegenseite schoss Douglas Costa die Kugel nach einem Ballgewinn weit in der gegnerischen Hälfte aus 18 Metern über das Tor (40.). Das war es bis zur Pause in einer hochklassigen und ansehnlichen Partie.

Die erste Duftmarke nach der Pause setzte der FC Bayern mit einem brandgefährlichen Fernschuss von Douglas Costa, der nach einem kurzen Wackler ansatzlos aus 20 Metern abzog und den Ball nur knapp über das Tor setzte (49.). Wenig später lenkte Cech einen Schrägschuss von Lewandowski über den Querbalken.

Die Partie blieb auch in der Folge intensiv, verflachte allerdings weil die ganz großen Szenen in Tornähe fehlten. In der 70. Minute musste Guardiola wohl auch verletzungsbedingt zwei Mal wechseln und brachte Kimmich und Rafinha für Alonso und Vidal.

Es dauerte bis zur 73. Minute ehe Lewandowski erneut eine große Abschlusschance der Münchner vergab und aus halbrechter Position an Cech scheiterte. Kurz danach der Nackenschlag. Weil Neuer eine harmlos aussehende Freistoß-Flanke aus dem Halbfeld verpasste, stolperte der eingewechselte Giroud den Ball mit Hand und Kopf zum 1:0 über die Linie. Es war ein bitterer Gegentreffer. Durch die Entstehung, aber auch weil die Münchner die Partie zuvor deutlich besser kontrolliert hatten als noch in der ersten Halbzeit.

Bayern versuchte nun noch einmal die Schlagzahl zu erhöhen, biss sich aber an der nun immer dichter am Strafraum positionierten Abwehr der Hausherren die Zähne aus. In der Nachspielzeit nutzte Bellerin einen Fehlpass von Alaba und bereitete so sogar noch das 2:0 von Özil vor, der die Hereingabe nur noch über die Linie drücken musste (90+4).

Hmpf.

3 Dinge, die auffielen:

1. Individuelle Fehler kosten das Spiel

Jetzt ist sie da die erste richtige Pflichtspielniederlage der Saison. Sie ist für viele im Umfeld des FC Bayern sicherlich auch ein willkommener Weckruf. Nein, es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Münchner in dieser Saison fehlerlos durch die Bundesliga und die Champions League pflügen. Das Spiel gegen Arsenal zeigte wie sensibel und anfällig selbst so herausragend funktionierende Strukturen wie die des FC Bayern sein können. Es war kein schlechtes Spiel der Münchner gegen einen konzentrierten und starken Gegner. Im Gegenteil. Ein 1:1 wäre über 90 Minuten sicher leistungsgerecht gewesen. Mit etwas mehr Abschlussglück gelingt den Bayern auch der Führungstreffer – was den Spielverlauf deutlich verändert hätte.

Letztlich waren es vor allem individuelle Fehler, die das Spiel entschieden. Neuers Fauxpas vor dem 0:1. Alabas Ballverlust vor dem 0:2. Schon Walcotts Großchance, die Neuer so glänzend parierte, entstand im Prinzip trotz großer personeller Überzahl der Münchner auf dem Flügel und im Zentrum nach zwei Stellungsfehlern von Lahm und Alaba.

Die Partie zeigte insgesamt auch wie verfrüht die Überschriften der letzten Wochen über den unschlagbaren FC Bayern, der Weltklasse-Spieler wie Robben und Ribéry nicht mehr benötige waren. Es geht gerade auf diesem Niveau häufig auch um den entscheidenden Tick Konzentration und Konsequenz in Schlüsselmomenten – so platt das im Angesicht des hochkomplexen Spiels der Münchner klingen mag. Es ist auch eine Erinnerung daran, dass gute Mannschaften, die wenig Fehler machen mit einer Mischung aus kompakter Defensive und schnellen Kontern immer gefährlich für Bayern sein können.

Die Mannschaft muss nun zum ersten Mal in dieser Saison einen Rückschlag verkraften. Der Startrekord in der Bundesliga und die ungetrübte Stimmung der letzten Tage ist mit der Niederlage erstmal Geschichte. Das muss nicht schlecht sein. Neue Reize, neue Spannung könnten nicht nur der Mannschaft, sondern auch dem kompletten Umfeld des FC Bayern durchaus gut tun.

2. Probleme in der Konterverteidigung

Es ist ein bekanntes Thema seit Pep Guardiola den FC Bayern trainiert. Durch die häufig weit vorgerückten Mittelfeldspieler und die Herausnahme eines zweiten echten absichernden 6ers ist der FC Bayern in den vergangenen drei Jahren immer mal wieder durch Probleme in der Konterverteidigung aufgefallen. Durch die Aufstellung von Walcott, statt Giroud in der Spitze war von Beginn an klar, dass Wenger die Gäste genau an dieser Stelle herausfordern würde. Im Prinzip war es paradox, dass es sich die Mannschaft, die unbedingt drei Punkte benötigt so im eigenen Stadion gemütlich machen und auf Konter lauern konnte.

Zwar dosierte der FC Bayern beispielsweise durch die selten zur Grundlinie aufgerückten Außenverteidiger das Risiko, doch allein die Staffelungen der beiden 8er Thiago und Vidal, die bei Ballbesitz immer wieder bis an den Strafraum vorrückten, schafften Räume für Gegenstöße. Bayern vermied zwar bis zur Nachspielzeit und dem 0:2 leichte Ballverluste im Mittelfeldzentrum, aber verlor zwangsläufig beim Versuch in den Strafraum einzudringen immer mal wieder den Ball. Vor allem Douglas Costa tat sich hier mit einigen schlechten Entscheidungen und überhasteten Aktionen hervor. Das muss kein Problem sein, so lange das Gegenpressing funktioniert. Denn der schnelle Zugriff auf den Gegner nach Ballverlust ist im Prinzip ein weiterer Nebeneffekt der vorgerückten 8er und Flügelspieler.

Gegen Arsenal funktionierte dieses Gegenpressing nicht immer. Mehrfach gelang es vor allem Coquelin sich aus der ersten Druckwelle zu befreien und die ausschwärmenden Offensivspieler einzusetzen. Zwar erzielten die Londoner aus mehreren vielversprechenden Kontern keinen Treffer, schafften es jedoch immer wieder die anfälligen Räume neben Alonso zu bespielen. Es zeigte sich hier auch, dass Arturo Vidal, dem als Balljäger und exzellenten Zweikämpfer hier eine herausgehobene Rolle zukommt, aktuell wohl auch verletzungsbedingt seiner Form etwas hinterherläuft. Zwei erfolgreiche Ballgewinne im Zweikampf und zwei abgefangene Bälle waren eine eher magere Quote für den Chilenen. Mehrfach kam er zu spät oder positionierte sich falsch. Auch Thiago, der am Ende sogar mehr Ballgewinne verbuchte als Vidal, wirkte stellenweise nicht robust genug, um das Spielgerät trotz guter Positionierung schnell zurückzuerobern.

Arsenal war sicher die individuell beste Kontermannschaft auf die die Münchner in dieser Saison getroffen sind. Das lag nicht nur an dem stets am Rande des Abseits pendelnden Walcott sondern vor allem an den spielstarken Mittelfeldspielern um Cazorla, Coquelin und Özil, die immer wieder Lösungen gegen das Gegenpressing fanden.

Pep Guardiola muss seine Lehren aus dieser Negativerfahrung ziehen – auch wenn die Konter letztlich das Spiel nicht entschieden. Es werden im Verlauf der Saison noch häufiger Spieler dieser Qualität auf den FC Bayern warten. Mit Vidal ist im Sommer im Prinzip der perfekte Spieler für diese Herausforderung hinzugekommen. Es geht letztlich um die richtige Balance beim Vorrücken gegen tiefstehende Gegner, die Bayern am Dienstag nicht immer fand. Auch Philipp Lahm sprach nach der Partie davon, dass die Münchner in der ein oder anderen Szene schlicht zu weit aufgerückt waren, was dafür spricht, dass eine so offene Positionierung insbesondere der Achter nicht unbedingt vorgesehen war. Das Thema wird uns weiter beschäftigen.

3. Guardiolas Plan mit Lewandowski

Der polnische Nationalstürmer, der zuletzt mit einer so herausragenden Torquote auffiel gab in einem Interview vor dem Spiel wahrscheinlich unbewusst bereits die Marschroute vor.  Er wisse, dass er nicht in jedem Spiel treffen müsse, um Guardiola zufrieden zu stellen, so Lewandowski. „Manchmal sind meine Bewegungen auf dem Platz wichtiger für ihn. Vor allem, was die Nutzung der offenen Räume betrifft.“

Robert Lewandowski spielte einen seiner involvierteren Auftritte im Bayern-Trikot und zeigte viele kluge Bewegungen und Aktionen. Immer wieder zog es Lewandowski auf den linken Flügel hinaus. Das Kalkül war dabei, dass die großgewachsene Londoner Innenverteidigung mit Mertesacker und Koscielny mit dem Tempo der nachstoßenden Offensivspieler Müller, Thiago, Vidal, Douglas Costa oder Lewandowski selbst konfrontiert werden sollten, statt mit einem statischen 9er an der Strafraumkante. Lewandowski schaffte also immer wieder Räume für seine Hinter- und Nebenmänner und zog auch selbst gern vom Flügel mit Tempo ins Zentrum.

Schon in der ersten Hälfte entstanden 2 der vier guten Bayern-Chancen aus diesem Muster. Exemplarisch war der schnelle Doppelpass zwischen Müller und Thiago in der 10. Minute bei dem Thiago mit Anlauf in den Strafraum eindringen konnte. Auch eine Schusschance von Vidal wenig später war nur dadurch möglich, dass Lewandowski den Raum öffnete. Cech verhindert das 0:1.

Gleichzeitig gelang es immer wieder den linken Halbraum zu überlagern, um dort den jungen Bellerin zu fordern. Hohe Flanken sollten dabei wenn möglich vermieden werden, da Bayern im Strafraum in der Luft eindeutig unterlegen war. So ist auch zu erklären, dass Douglas Costa den Ball häufiger scharf und flach in den Sechzehner drosch. Lewandowski hatte schon zur Pause 27 Ballkontakte und spielte 17 Pässe. Im Schnitt waren es in dieser Saison über 90 Minuten gerade einmal 20. Insgesamt 7 Mal ging Lewandowski zudem ins Dribbling – ansonsten lag dieser Wert in dieser Saison bei nichtmal drei pro 90 Minuten. Auch das spricht für seine etwas andere Interpretation seiner Rolle gegen Arsenal.

Nach der Pause fiel es Lewandowski etwas schwerer das beschriebene Muster weiter durchzuziehen, weil Arsenal sich ab der 55. Minute noch stärker am Strafraum einigelte und die Passwege geschickt zustellte. Guardiola reagierte darauf in dem er Douglas Costa und Müller die Seiten tauschen ließ um etwas andere Laufwege zuzulassen. Der Erfolg war mäßig. Dem Bayern-Spiel fehlte nun häufig Tempo und Konsequenz im Offensivspiel. Insgesamt müssen sich die Münchner aber mit 21 Torabschlüssen, davon 9 im Strafraum, nicht verstecken. Auch Lewandowski (insgesamt 5 Torschüsse) hatte vor dem 0:1 und beim Stand von 1:0 noch zwei gute Chancen auf einen Treffer – doch weitere richtig zwingende Möglichkeiten blieben in der zweiten Hälfte aus. Ein Beleg für eine gute Defensivleistung des FC Arsenal trotz eines im Prinzip guten Plans des FC Bayern.

FC ARSENAL – FC BAYERN 2:0 (0:0)
FC Arsenal Cech – Bellerin, Mertesacker, Koscielny, Monreal – Santi Cazorla, Coquelin – Ramsey (57. Oxlade-Chamberlain), Özil, Alexis Sanchez (82. Gibbs)- Walcott (74. Giroud)
Bank Macey, Debuchy, Gibbs, Arteta, Giroud, Oxlaide-Chamberlain, Chambers
FC Bayern Neuer – Lahm, Boateng, Martínez, Alaba – Xabi Alonso (71. Kimmich) – Vidal (71. Rafinha), Thiago – Müller, Lewandowski, Douglas Costa
Bank Ulreich, Martínez, Kirchhoff, Gaudino, Coman
Tore 1:0 Giroud (77.), 2:0 Özil (90.+3)
Karten Giroud / –
Schiedsrichterin Cüneyt Çakir (Türkei)
Zuschauer 59.824 (ausverkauft)