Borussia Dortmund – FC Bayern 1:2 (0:0)

Steffen Trenner 26.05.2013

Er ist da. Der Henkelpott. Endlich. Nach 12 Jahren, nach vielen Enttäuschungen. Nach verlorenen Finalspielen und verpassten Chancen. Als der FC Bayern München das Finale dahoam auf so unfassbare Art und Weise verlor, war ich mir sicher, dass es Jahre dauert, bis diese Mannschaft erneut die Chance bekommt den größten Titel des europäischen Vereinsfußballs zu gewinnen. Ich bin froh, dass ich diese Mannschaft unterschätzt habe.

Ich habe es gestern bereits auf Twitter geschrieben. 2012 hat sich schlimmer angefühlt als 1999. Der Sieg am Samstag war dafür irgendwie noch größer als der Champions League Gewinn 2001. Wegen der Saison, die Bayern gespielt hat. Wegen dem Fußball den Bayern in dieser Saison spielt. Der Champions League-Sieg 2001 war vor allem eine unfassbare Willensleistung. Bayern gewann Spiele gegen Arsenal, Manchester, Real Madrid und im Finale gegen Valencia nicht unbedingt weil sie die bessere Mannschaft waren, sondern weil sie Rückschläge beinahe emotionslos wegsteckte und mit physischem Spiel und dem damals besten Torwart der Welt Spiele umbogen und gewannen. All das war in dieser Champions League Saison anders. Bayern gewann gegen Arsenal, Juventus, Barcelona und auch im Finale gegen Dortmund, weil sie die bessere Mannschaft waren. Spielerisch, taktisch und physisch. Das macht diesen Sieg so besonders.

Wer verstehen will was in dieser Mannschaft im Moment des Sieges vorging, muss sich Thomas Müller anschauen, der nach dem Schlusspfiff von Krämpfen geplagt und in Tränen aufgelöst in die Arme von Hermann Gerland fiel. Dieses Finale war der krönende Moment dieser Spieler-Generation.

3 Dinge, die auffielen:

1. Wie sich Bayern aus Dortmunds Pressing befreite

Dortmund spielte in den ersten 20 Minuten vielleicht das beste und effektivste Pressing, das je auf diesem Niveau gezeigt wurde. Bayern fand zunächst kein Mittel gegen diesen Dortmunder Druck. Nach 24 Minuten hatte Bayern nicht einmal aufs Tor geschossen. Dortmund dagegen 6 mal. Es war Manuel Neuer, der Bayern in dieser Phase vor einem Rückstand bewahrte. Wer die Champions League gewinnen will, braucht einen herausragenden Torwart. Neuer war am Samstag dieser Torwart. Er ermöglichte es durch seine Paraden, dass Bayern sich nach der 25. Minute sukzessive aus der Dortmunder Umklammerung löste.

Bastian Schweinsteiger nahm den Spielaufbau zunehmend selbst in die Hand. Der Münchener Sechser ließ sich häufig zwischen die beiden Innenverteidiger Dante und Boateng zurückfallen und erlaubte es der Viererkette damit breiter zu stehen als vorher. Das zog das Dortmunder Pressing weiter auseinander und brachte Bayern so mehr Ruhe im Spielaufbau. Schweinsteiger war zudem mit seiner Ballsicherheit in der Lage Lewandowski und Reus immer wieder heraus zu locken und erst im letzten Moment den Ball abzuspielen und so seinen Nebenleuten ein wenig mehr Luft bei der Ballannahme und Verarbeitung zu ermöglichen. Schweinsteiger hatte mit 92 Ballkontakten die Meisten aller Spieler und brachte ordentliche 86 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler.

Der zweite wichtige Schlüssel war Javi Martinez. Der Spanier brauchte knapp 20 Minuten um ins Spiel zu finden. Ohne direkten Gegenspieler hing er zu Beginn ein wenig in der Luft. Mit zunehmender Spielzeit wurde er immer aggressiver und sorgte für viele wichtige frühe Ballgewinne im Zentrum. Diese Ballgewinne im Mittelfeld sind es, die Dortmunds Pressing am stärksten schwächen, weil so gar nicht erst zugelassen wird, dass die Schwarz-Gelben ihre Pressingformation einnehmen können. 76 Prozent gewonnene Zweikämpfe, drei abgefangene Bälle und sechs gewonnene Kopfballduelle sind der Nachweis des sehr guten Spiels von Martinez.

Der dritte wichtige Schlüssel war die Kopfballstärke von Mario Mandzukic. Auch wenn es nicht schön ist gilt es in manchen Momenten zu akzeptieren, dass ein hoher langer Ball im Zweifel die bessere Alternative zu einem Ballverlust in der eigenen Hälfte ist. Mario Gomez ist in den vergangenen Jahren an der Kopfballstärke von Hummels, Subotic oder Santana verzweifelt. Mandzukic hat die Härte und das Timing, um im Luftkampf gegen die Dortmunder Innenverteidigung zu bestehen. Auch wenn die Statistik nur 4 gewonnene Kopfballduelle ausweist. Mandzukic Physis sorgte dafür, dass Hummels und Subotic Kopfbälle nur selten kontrolliert zu einem Nebenmann spielen konnten. Bayern rückte nach einigen langen Bällen sehr gut nach und eroberte immer wieder den zweiten Ball.

Wenn es eine Statistik gibt, die Bayerns Anpassung und Verbesserung gegen das Dortmunder Pressing zeigt, ist es diese: Bis zur 60. Minute spielte Bayern 112 Pässe rückwärts, in der letzten halben Stunde waren es nur noch 23. Dazu komplettierten die Münchener in der zweiten Halbzeit mehr als doppelt so viele Pässe im letzten Spielfelddrittel, als die Dortmunder. Bayern erhöhte nach dem 1:1 gegen müde Borussen noch einmal das Tempo und hatte zwischen dem 1:1 und dem 2:1 4 seiner 8 Großchancen. Die Fähigkeit der Mannschaft sich im Verlauf eines Spiels anzupassen und Nuancen zu verändern ist eine der größten Stärken dieser Mannschaft, die sie auch im Finale zum Erfolg geführt hat.

2. Arjen Robben

Auch ihm war beim Tor und nach dem Schlusspfiff anzumerken wie groß die Erleichterung nach diesem Sieg war. Robben polarisiert. Durch sein Auftreten, durch seine Entscheidungen auf dem Platz. Selten wurde die ganze Bandbreite des Fußballers Arjen Robben in einem Spiel so deutlich wie am Samstag Abend. Bis heute ist mir unerklärlich wie ein so guter Fußballer einen so schwachen rechten Fuß haben kann. Robben vertändelte im Finale mal wieder mehrere gute Möglichkeiten weil er sich im Strafraum den Ball umständlich auf den linken Fuß legen musste. Dazu die zwei Großchancen in der ersten Hälfte bei denen er an Weidenfeller scheiterte und sein halbherziges Verhalten bei Müllers Schuss und Subotic Klärung auf der Torlinie in der zweiten Hälfte. Er war auf der einen Seite Bayerns gefährlichster Spieler, aber auf der anderen Seite auch derjenige, der den Ball nicht im Tor unterbringen konnte.

All das hat eine Vorgeschichte, die bekannt ist. Sein verschossener Elfmeter im Champion League Finale 2012, seine vergebene 100 Prozentige Torchance für Holland im WM-Finale 2010, als er beim Stand von 0:0 völlig freistehend an Casillas Oberschenkel scheiterte. Robben ließ nicht zu, dass erneut ein verlorenes Finale an ihm festgemacht werden kann. Sein Jubel nach dem 2:1 war eine Explosion. Er schrie in Richtung Fankurve. Wer will es ihm verdenken? Nach den Pfiffen im Freundschaftsspiel gegen die niederländische Nationalmannschaft am 22. Mai 2012. Es war einer der erbärmlichsten Momente in der jüngeren Vergangenheit des FC Bayern.

Bei seinem Tor und auch schon zuvor bei seinem Assist zum 1:0 zeigte Robben alles was ihn ausmacht. Seine Explosivität, seine Geschmeidigkeit, seine hervorragende Ballbehandlung mit dem linken Fuß und ja, auch seine Abschlussstärke. 45 Tore in 78 Bundesligaspielen. 10 Tore in 12 DFB-Pokalspielen und seit Samstag 13 Tore in 30 Champions League Spielen für den FC Bayern. Es war auch für ihn die Krönung einer bisher unvollendeten Karriere.

3. Jerome Boateng

Der 24-Jährige wird in der Berichterstattung über dieses Finale sicherlich ein wenig untergehen. Dabei war es Boateng und nicht Nebenmann Dante, der in diesem Spiel als echtes Bollwerk Bayerns Viererkette zusammen hielt. Boateng steht seit Beginn seiner Zeit in München in der Kritik. Der eigentlich pfeilschnelle Abwehrmann wirkt oft träge und behäbig. Unglückliche Aktionen wie verursachte Handelfmeter und unnötige rote Karten runden dieses Bild im negativen Sinne ab. Boateng hat sich seinen Platz in der Stammelf im Verlauf der Rückrunde zurück erkämpft. Er wird nicht mehr zwischen Innen- und Außenverteidigung hin und hergeschoben und er hatte mit zwei Toren und zwei Assists in der Bundesliga, sowie exzellenten Leistungen gegen Barcelona und Juventus großen Anteil an der Erfolgsgeschichte der Bayern im Jahr 2013.

Am Samstag setzte er seinen bisherigen Leistungen die Krone auf. Zwar hatte auch er in der starken Anfangsphase der Dortmunder Probleme, aber danach war er es, der Robert Lewandowski, der nicht zu unrecht zur Zeit als bester Mittelstürmer der Welt gilt, aus dem Spiel nahm. Boateng gewann unfassbare 84 Prozent seiner Zweikämpfe. Er dominierte mit 5 gewonnen Kopfballduellen den Luftraum, klärte den Ball 7 mal in Tornähe und war mit insgesamt 9 Tacklings der aggressivste Münchener. Dazu spielte Boateng 9 erfolgreiche lange Bälle. Ebenfalls Bestwert aller Spieler auf dem Platz. Das alles taugt vielleicht nicht für große Schlagzeilen, aber spätestens nach diesem Spiel kann eines festgehalten werden. Jerome Boateng ist beim FC Bayern angekommen und hat mit seiner Leistung im Finale einen großen Anteil am Sieg seiner Mannschaft.

Champions League Sieger 2013. FC Bayern München.

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