Vorschau: VfB Stuttgart – FC Bayern München

Justin Trenner 15.12.2017

Schon für Hoffenheim war der VfB unter der Woche ein sehr unangenehmer Gegner. Die Schwaben verteidigten kompakt, aggressiv und hatten durchaus die eine oder andere Gelegenheit, um selbst in Führung zu gehen. Ein kollektiver Blackout sorgte schlussendlich aber dafür, dass die Nagelsmänner drei Punkte einfuhren und nicht die ambitionierten Stuttgarter.

(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Gegnervorschau: Unangenehm flexibel

Stuttgart hat in den vergangenen Wochen sehr häufig mit einer Fünferkette agiert. Nur selten setzte Trainer Hannes Wolf auf vier Abwehrspieler. Davor variierte die Staffelung immer mal wieder. Besonders spannend war dabei das 5-2-1-2, weil der VfB so sehr kompakt stehen konnte. Die Halbräume waren dadurch gut abgedeckt und die Wege auf die Flügel oder ins Zentrum waren oft kurz genug, um in jeder Situation Kompaktheit zu erzeugen.

Außerdem hatte der VfB dann jemanden in der Mitte des Vierecks, der – je nachdem wo er gerade gebraucht wurde – unterstützen oder überladen konnte. Auch die Flügelverteidiger konnten ohne Sorgen nach vorne schieben, um Überzahlsituationen gegen den Ball zu kreieren. Gegen Wolfsburg funktionierte diese Ausrichtung beispielsweise sehr gut. In anderen Partien hatte der VfB wiederum kleinere Probleme im Verschieben. Speziell dann, wenn der Gegner das Spiel temporeich gestalten konnte.

Etwas häufiger agieren die Stuttgarter aber im mittlerweile fast schon klassischen 5-2-3 bzw. 3-4-3. So auch im Heimspiel gegen Borussia Dortmund, als Gentner und Ascacibar die Doppelsechs hinter Akolo, Ginczek und Özcan bekleideten. Auch in diesem Gerüst bewegte sich der VfB aber sehr flexibel.

Abgesehen davon, dass der BVB zu diesem Zeitpunkt in einer tiefen Formkrise steckte, verstand es die Wolf-Elf sehr gut, die wichtigen Räume zu verdichten, gut zu verschieben und in Umschaltmomenten Gefahr zu erzeugen. Eine Kombination, die an guten Tagen ausreichen kann, um den FC Bayern zu ärgern.

Wolf hat mit seiner 5-2-2-1-Staffelung viele Möglichkeiten. Mit wenigen Umstellungen kann sich die Grundformation in ein 5-2-1-2, 5-2-3, 5-4-1 oder 3-4-2-1 verändern. Natürlich sind auch weitere Variationen möglich.

In den letzten Wochen legte sich Wolf auf eine etwas abgewandelte Form des 5-2-3 ab. Gegen den FC Bayern ist zu erwarten, dass die Staffelung vor der Abwehr zwischen 4-1, 2-2, 2-1-2 und einem 2-3 variieren wird. Bei Balleroberungen schieben dann die Flügelverteidiger mit nach vorn und es entsteht ein 3-4-2-1 und wenn Gentner einen seiner dynamischen Läufe anbringt, sogar eine noch offensivere Staffelung.

Was die Münchner also erwarten können, ist, dass der VfB natürlich versuchen wird, kompakt zu verteidigen. Das können sie bisweilen sehr gut. Wolf weiß um die spielerischen Schwächen des Rekordmeisters und wird seine Mannschaft deshalb so ausrichten, dass sie in der Schaltzentrale kompakt steht, aber auch schnell Zugriff bekommt. Viel wird auch davon abhängen, wie effektiv die Angreifer des VfB agieren können. Nur 13 Tore erzielten die Schwaben bisher. Zu wenig. Gerade weil Stuttgart es immer wieder verpennt, die guten Kontersituationen besser auszuspielen.

Zu Hause sind sie etwas besser. In 7 Spielen erzielten sie dort 9 Tore und kassierten nur 4 ihrer insgesamt 20 Gegentreffer – 2 dieser 4 zudem in der Schlussphase. Dementsprechend dürften die Münchner gewarnt sein. Es wird sehr wahrscheinlich ein zähes Spiel. Zumal es für den VfB ein wichtiges Spiel ist. Verlieren sie, könnten sie auf einem Relegations- oder sogar Abstiegsplatz überwintern. Trotz dieser unangenehmen Situation hat man aber das Gefühl, dass in Stuttgart wieder etwas wachsen kann.

Der FC Bayern kann sich am Samstag auf Flexibilität beim Gegner einstellen. Stuttgart wird nicht stur im 5-4-1 hinten drin stehen und darauf warten, dass der große Gegner das Tor erzielt. Es wird mal mehr und mal weniger mutige Gegenwehr geben. Das Pressing von Hannes Wolf wird von einer tiefen Verteidigung bis hin zu einem höheren Mittelfeldpressing einiges zu bieten haben. Mit diesen Rhythmus- und Formationswechseln muss die Heynckes-Elf dann zurecht kommen.

Hannes Wolf bringt frischen Wind nach Stuttgart. Der Aufsteiger könnte mit einer Niederlage aber auf die Abstiegspositionen rutschen.
(Foto: Alexander Scheuber / Bongarts / Getty Images)

System wieder hochfahren

Zuletzt hatten die Bayern große Schwierigkeiten, ihr Spiel kreativ zu gestalten. Es gab genau zwei Ansätze, um zu Torerfolgen zu kommen. Der Erste erinnerte an typische Kreisliga-Mannschaften, die vorne einen schnellen und technisch begabten Spieler haben: den Ball irgendwie zu Coman bringen und der wird schon etwas damit machen.

Allerdings schafften die Münchner es zu selten, ihren Flügeldribbler in Eins-gegen-Eins-Situationen zu bringen oder gänzlich zu isolieren. Dafür fehlte im Zentrum schlicht die Kreativität. Außerdem verlagerten die Bayern das Spiel zu wenig und zu langsam. Sie hatten das notwendige Tempo in der Ballzirkulation einfach nicht. So war das alles sehr berechenbar.

Die Folge daraus war dann der zweite Lösungsansatz, um zu Toren zu kommen: So lange Flanken in den gegnerischen Sechzehner schaufeln, bis mal eine erfolgreich ist. Und das ohne Kimmich, der als Einziger den Eindruck macht, als hätte er vor seinem Engagement beim FC Bayern schon mal einen hohen Ball in den Strafraum gekickt.

In Stuttgart wird es sehr wahrscheinlich mehr brauchen als das. Sich nur auf Coman und bisweilen auch James zu verlassen, ist zu wenig. Der VfB ist durchaus in der Lage, diesen „Plan“ zu verteidigen.

Die Mannschaft von Hannes Wolf ist genau dann am anfälligsten für individuelle Fehler, wenn man sie ständig herausfordert und somit irgendwann überfordert. Von Beginn an müssen die Bayern daher das Tempo hochhalten, oft die Seiten verlagern und Wege in die zentralen Räume vor der gegnerischen Abwehr suchen, um dann aus der Enge in die freien Halbräume zu kommen.

Dafür benötigt das Team wieder Mats Hummels. Der Innenverteidiger war zuletzt der einzig zuverlässige Spielmacher in tieferen Zonen, weil Rudy seine Form aus dem Herbst nicht in den Winter transportieren konnte und Thiago verletzt ist. Immerhin wurde Boateng wieder stärker mit dem Ball am Fuß. Das Weltmeister-Duo könnte somit ein Schlüssel zum Erfolg in Stuttgart sein.

Darüber hinaus ist der VfB anfällig, wenn er schnell verschieben muss. Hier bieten sich Chancen für Coman, wenn seine Mannschaft ihn wieder isolieren kann. Das alles in Kombination mit einem immer besser werdenden James Rodríguez könnte schon reichen, um den Stuttgartern den ein oder anderen Ball ins Tor zu legen.

Aber dafür muss das System wieder vollständig hochgefahren werden. Am Wochenende zeigt sich, ob der FC Bayern ein Windows-Rechner ist, der erstmal 149 Updates ziehen muss, bevor er vollständig betriebsbereit ist, oder ob sie innerhalb kürzester Zeit wieder in die Spur kommen. Einen Vergleich mit etwaiger Microsoft-Konkurrenz vermeide ich an dieser Stelle bewusst.

Und Wolfram Eilenberger möge mir diesen maschinellen Vergleich doch bitte nachsehen.

Statistiken zum Duell.

Fantipp

Im Fantipp tippt einer unserer Leser den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem Tipp aus der Miasanrot-Redaktion. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Fans mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

„Ja gut, ähhh“ – um es mit Felix Magath oder Franz Beckenbauer zu sagen. Der erste Fantipp war gar nicht mal so erfolgreich. Am Ende waren die Bayern noch lustloser, als wir das erahnen konnten. Wir erhalten für die Tendenz aber jeweils einen Punkt und so steht es jetzt 25:16 für die Redaktion.

In dieser Woche haben wir Florian aus den Kommentaren gefischt. Er ist Bayern-Fan, seit Olli Kahn seine Gegenspieler anknabberte und Mehmet Scholl die Gegner schwindelig spielte und hofft, dass Thomas Müller bis Anfang 40 noch für die Bayern spielt. Florian liest Miasanrot seit Anfang 2013 und liebt das Gefühl, wenn er auf dem Weg in die Allianz Arena ist.

Florian: Nach dem Sieg aus dem Spiel gegen Dortmund holte der VfB aus den folgenden vier Spielen lediglich einen Punkt (Unentschieden gegen Hannover) und verlor drei Mal (Bremen, Leverkusen, Hoffenheim). Dies lag zuweilen nicht an einer mangelhaften Defensive, sondern eher an der fehlenden Qualität, die im Angriff schlichtweg noch nicht vorhanden ist. Daher tippe ich darauf, dass es ein Geduldsspiel für den FCB wird, da der VfB zuhause, bis Leverkusen kam, ein Jahr ungeschlagen war und sie sich am besten siegreich von ihren Fans ins neue Jahr verabschieden wollen. Sollten unsere Bayern allerdings ihre PS auf die Straße bringen, gehe ich doch sehr stark von einem Sieg aus. Mein Tipp: 3:1 für unsere Bayern.

Justin: Ich sehe das tatsächlich ähnlich wie Florian. Stuttgart wird den Bayern das Leben schwer machen. Einen höheren Sieg mit vielen Toren erwarte ich nur, wenn die Münchner früh in Führung gehen. Passiert das nicht, wird der Nachmittag sehr zäh für den Rekordmeister. Mit der Zeit wird der VfB aber müde und Bayern erzielt dann das erste Tor. Vielleicht folgt noch ein zweiter Treffer und dann steht am Ende ein hart erarbeiteter 2:0-Auswärtssieg.

P.S.: Wer noch mehr zur Partie, den FC Bayern und zum VfB Stuttgart lesen möchte, dem sei das Interview von „Rund um den Brustring“ mit mir empfohlen. Der Blog ist generell eine gute Adresse, wenn es um den VfB geht.