Vorschau: FC Bayern München – Celtic Glasgow

Justin Trenner 16.10.2017

Die werden nämlich heiß. Nach Celtic geht es nach Hamburg und Leipzig, die wiederum wenige Tage später in München zu Gast sind. Anschließend folgen das Rückspiel in Glasgow und das Topspiel in Dortmund. Danach werden die Fans des Rekordmeisters wieder etwas schlauer sein, was die Konkurrenzfähigkeit in allen Wettbewerben betrifft.

Doch es ist wichtig, Schritt für Schritt zu gehen. Freiburg war ein guter Anfang, im Heimspiel gegen Celtic Glasgow sollen die Ansätze noch ein bisschen mehr in Automatismen umgewandelt werden. Glasgow könnte dafür ein sehr guter Gegner sein.

(Foto: Sebastian Widmann / Bongarts / Getty Images)

Gegnervorschau: Der Abomeister

In Schottland hat Celtic die Meisterschaft quasi Jahr für Jahr reserviert; 2017 gewannen sie den Titel zum sechsten Mal in Folge. Begünstigt wurde dieser Lauf durch die Insolvenz des schottischen Rekordmeisters – dem Stadtrivalen Glasgow Rangers. 54 Meistertitel holten die Rangers, während Celtic auf mittlerweile 48 kommt. Im europäischen Fußball eine einmalige Sache. Allerdings hat diese Dominanz auch starke Nachteile.

Die fehlende Stärke der Liga wirkt sich auf die Konkurrenzfähigkeit in Europa aus. Der letzte europäische Triumph der Schotten liegt über 30 Jahre zurück. 1983 gewann Aberdeen unter Sir Alex Ferguson den Europapokal der Pokalsieger, der 1972 auch von den Rangers errungen wurde. Celtic wiederum schaffte es 1967 sogar, den Europapokal der Landesmeister zu gewinnen. 2008 standen die Rangers im Finale des UEFA-Pokals, den aber Zenit Sank Petersburg gewann. Bayern-Fans erinnern sich vermutlich an das Ausscheiden gegen die Russen.

Seitdem gab es keine nennenswerten Erfolge mehr in Europa. Celtic Glasgow gelangen zwar vereinzelt Überraschungen gegen Barcelona oder Manchester City, doch wirklich konkurrenzfähig waren sie nie. Aus den längst vergangenen Erfolgen in Europa bildete sich aber eine Mentalität, die hier und da auch als „Celtic Way“ bezeichnet wird.

Die grün-weißen lieben offensiven Fußball. Fast alle Titel der Vereinsgeschichte wurden mit aktivem Angriffsfußball geholt. Auch heute lebt man diesen Stil, wenngleich der Eindruck in Europa ein anderer sein kann. Viele haben nur die Defensivschlachten mit Barcelona im Kopf, wenn sie an die letzten Jahre denken.

Gerade in der heimischen Liga bleibt ihnen aber fast nichts anderes übrig, als auf dominanten Ballbesitzfußball zu setzen. Mit Trainer Brendan Rodgers, der 2016 quasi aus der Premier League kam, hat sich dieser nochmal verbessert. Die vergangene Saison beendeten sie ungeschlagen und sofern sie am Samstag im Ligapokal-Halbfinale gegen Hibernian gewinnen, wären sie seit 60 Pflichtspielen in Schottland ohne Niederlage. Eine unfassbare Dominanz, die einerseits aus eigener Stärke, andererseits aber auch aus fehlender Konkurrenz resultiert.

Rodgers ist bei Celtic national sehr erfolgreich.
(Foto: Dean Mouhtaropoulos / Getty Images)

Gerade international verändert sich der Stil von Celtic Glasgow massiv. Dort setzen sie nämlich eher auf Umschaltfußball. Kontrolle ist gegen die meisten Gegner kaum möglich, weshalb ein massives Bollwerk gebildet wird. Bei Ballgewinnen sind sie jedoch bemüht darum, spielerische Lösungen zu finden.

Meist versuchen sie, das Gegenpressing des Gegners mit Kurzpassspiel aufzulösen, um dann schnelle, vertikale Pässe in die Tiefe zu spielen. Diese sollen vermehrt die schnellen Flügelspieler in Szene setzen, um dann überfallartig ins letzte Drittel zu gelangen.

Grundformation ist häufig ein 4-2-3-1, je nach Gegner ist die Besetzung unterschiedlich. Will Rodgers viel Ballbesitz, setzt er eher auf spielstarke Mittelfeldspieler, international dann doch vor allem auf Zweikämpfer. Zudem arbeitet Glasgow gern mit Überladungen auf der linken Seite.

Dort kann auch Kieran Tierney spielen. Ein 20-Jähriger Linksverteidiger, der neben Tempo auch eine ordentliche Ballsicherheit mitbringt. Eine Position davor spielt einer der Schlüsselspieler in Rodgers System: Scott Sinclair. Der 28-Jährige Engländer ist schnell, torgefährlich (10 Tore und 6 Vorlagen in 17 Spielen) und trickreich. Er ist kein sensationeller Außenstürmer, aber einer, der das Niveau Glasgows anheben kann. Über ihn werden viele Umschaltsituationen laufen.

Scott Brown ist im Mittelfeld für die Ballgewinne zuständig. Gegen ihn wird der FC Bayern den Zehner-Raum gewinnen müssen. Seit 10 Jahren spielt er für Celtic Glasgow und in über 400 Pflichtspieleinsätzen hat er alles erlebt. Zwar ist er kein spielerisch wertvolles Element im Team, aber gerade gegen den Ball ist er giftig, aggressiv, und häufig auch zweikampfstark.

Sein Pendant könnte Olivier Ntcham sein. Er ist das technisch stärkere Pendant im zentralen Mittelfeld und somit der Spieler, der die engen Räume während des Gegenpressings der Bayern auflösen soll.

Auch Callum McGregor ist eine Alternative für das Zentrum. Der Schotte gilt ebenfalls als Spieler mit Nadelspielerqualitäten. Er kann auf passablem Niveau Struktur geben und enge Situationen spielerisch auflösen. In der Champions League kam der 24-Jährige erst 25 Minuten zum Einsatz, aber er könnte als Unterstützung für Ntcham eine Option im zentralen offensiven Mittelfeld sein.

Die Linksüberladungen löst Celtic auch gerne mal mit schnellen Seitenverlagerungen auf. Rechts wird mit diesem Prinzip Platz für Patrick Roberts kreiert, der dann ins Eins-gegen-eins gehen soll.

Vorne wird höchstwahrscheinlich Leigh Griffiths auflaufen, der die wenigen Nadelstiche verwerten soll. Er ist technisch ganz annehmbar und abschlussstark. In viereinhalb Jahren erzielte er 92 Tore und bereitete 42 weitere vor.

Auch Moussa Dembélé ist in der Offensive eine spannende Alternative. Ihm fehlt zwar die Spielpraxis, aber er ist technisch überdurchschnittlich gut und schnell. Der 21-Jährige kann von der Bank kommen und Celtics Umschaltmomenten in der zweiten Halbzeit neue Energie geben – entweder als Stürmer oder auf dem linken Flügel.

Was erwartet den FC Bayern?

Alles in allem ist die Qualität Glasgows nicht zu unterschätzen. Sie kommen in großen Spielen häufig über die Emotionalität ins Spiel. Mannschaftstaktisch haben sie große Probleme, wenn die internationalen Riesen ihr Niveau erreichen. Schwächeln diese jedoch, hat Celtic die Qualität, sich in ein Spiel hereinzuarbeiten.

Daraus entstanden dann großartige Defensivschlachten wie 2012 gegen Barcelona, als die grün-weißen zu Hause mit nur 11% Ballbesitz 2:1 gewinnen konnten. Die Realität ist aber auch, dass sie für solche Ergebnisse viel Glück benötigten.

Der FC Bayern muss deshalb zwar respektvoll, aber keinesfalls vorsichtig in die Partie gehen. Es braucht einen selbstbewussten, aber nicht überheblichen Auftritt. Bereits im Gegenpressing können sie die Partie für sich entscheiden. Gegen Freiburg zeigten sie dort erstmals einen strukturierten Auftritt.

Jupp Heynckes meldete sich gegen Freiburg mit einem 5:0 zurück.
(Foto: Christof Stache / AFP / Getty Images)

Das hohe Anlaufen gegen die Breisgauer erinnerte etwas an 2013. Zwar hatten die Münchner wieder ihre Schwächephase, doch zum Einen war diese nur von kurzer Dauer und zum Anderen schafften sie es, nicht erneut komplett einzubrechen.

Können sie Celtic ähnlich einschnüren wie die Streich-Elf, dürfte das Duell eine klare Angelegenheit werden. Heynckes‘ Mannschaft wird viel Ballbesitz haben und kann gegen eine ordentlich strukturierte Defensive, die viel Aggressivität zeigen wird, erneut das Kurzpassspiel im letzten Drittel verfeinern.

Glasgow würde sich freuen, wenn die Bayern wieder flügel- und flankenlastig auftreten. Umso schöner wäre es, wenn der Deutsche Meister die Passdreiecke im Zentrum und in den Halbräumen wiederentdeckt. Ansätze gab es dafür schon am Samstag zu beobachten. Alaba schien sich daran zu erinnern, dass er seinen Flügelpartner auch diagonal vorderlaufen kann, Thiago und Müller besetzten die Halbräume etwas besser und zumindest eine Hand voll Angriffe erinnerte an das Triplejahr, wo die Bayern sich mehrfach in den Strafraum kombinierten, ohne ständig auf hohe Bälle setzen zu müssen.

Für den FC Bayern geht es deshalb nicht nur um drei Punkte, sondern vor allem um spielerischen Fortschritt. Nach Anderlecht, Mainz und Schalke gelang der zweite Schritt nicht. Nun bietet sich im Heimspiel die nächste Chance, endlich einen Aufwärtstrend zu starten – spielerisch, taktisch, und mental. Für Glasgow geht es hingegen von Anfang an darum, so gut wie möglich zu verteidigen, um dann Umschalt- oder Standardsituationen zu kreieren. Ein ungleiches Duell, das nur dann Spannung verspricht, wenn die Bayern es zulassen.

Wissenswertes zum Spiel:

  • Mit 70,8% hatte Celtic im September den höchsten Ballbesitzwert Europas. In den beiden Spielen in der Champions League hatten sie durchschnittlich 47,7%. Dafür liegt die Passgenauigkeit bei starken 85,1% – besser als Chelsea, Atlético, Liverpool, Tottenham und RB Leipzig. Nur 12 Teams spielen in der Königsklasse genauere Pässe.
  • Kein Team schließt in der Champions League so selten ab wie Feyenoord und Celtic (7,5 Abschlüsse/Spiel). Die Bayern haben bisher die meisten (22,5/Spiel).
  • Celtic Glasgow lässt bisher in der Königsklasse nur 10,5 Schüsse pro Spiel zu (Platz 9). Bayern liegt bei 9 pro Partie (Platz 4).
  • Die Partie beginnt am Mittwoch um 20:45 Uhr. Das ZDF überträgt ebenso wie Sky.

Expertentipp

Im Expertentipp tippt ein externer Experte den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommt. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Im Gesamtergebnis hat sich letzte Woche nicht viel getan. Beide tippten 3:0 und holten somit jeweils einen Punkt. Die Redaktion führt jetzt mit 12:9 gegen die Experten. Diese Woche tippt Daniel Straub gegen uns. Daniel fährt seit 1998 regelmäßig Celtic Glasgow in Schottland und Europa hinterher. Neben Kleeblättern hat er auch eine Vorliebe für Lilien. In der Vorschau hat er uns mit seinen Meinungen und seinem Wissen unterstützt.

Daniel: In (m)einem optimalen Szenario holt, nein klaut sich Celtic mit einem taktisch disziplinierten Spiel einen Punkt in München. In Wirklichkeit gilt es zu verhindern, dass es wie im Spiel gegen das andere Schwergewicht der Gruppe, PSG, eine Packung gibt, und sich zumindest so teuer wie möglich zu verkaufen. Lange die großen Bayern ärgern und das Spiel offen halten, mehr dürfte nicht drin sein. Ich sehe einen ungefährdeten Bayern-Sieg am Mittwoch Abend, Tipp: 3-1, dafür sind die Bayern einfach zu gut.

Jolle: 3:0 für die Bayern.

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