Vorschau: FC Bayern München – FC Augsburg

Justin Trenner 17.11.2017

Es ist tatsächlich so, dass der Rekordmeister zuletzt etwas auf dem Zahnfleisch ging. Die Mannschaft stellte sich quasi von selbst auf und die Varianten auf der Bank nahmen ab. Umso wichtiger ist es für die Bayern, dass Ribéry, Bernat und auch Thomas Müller wieder im Mannschaftstraining sind. Inwiefern auch nur einer von ihnen bereits gegen den FCA zum Einsatz kommen könnte, ist noch unklar, aber es ist gut, dass Heynckes demnächst mehr Alternativen zur Verfügung stehen.

(Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Wobei sich daraus auch wieder einige Probleme ergeben könnten. Kingsley Coman zeigte in den letzten Wochen, dass er durchaus das Potenzial hat, sich zu einem wichtigen Spieler des FC Bayern zu entwickeln. Es fehlt hier und da an Präzision, aber zuletzt war er einer der entscheidenden Spieler in der Offensive. Ribéry wird eine Rotationsrolle wohl kaum hinnehmen. Dieses Duell um den Stammplatz kann heiß werden. Entweder führt es dazu, dass beide sich zu Höchstleistungen pushen oder einer wird intern für Probleme sorgen.

Heynckes kann das sicherlich moderieren. Gerade Ribéry, der eine besonders innige Beziehung zu seinem Trainer pflegt, könnte aber enttäuscht werden, wenn Coman seine Leistungen weiter so ausbaut wie bisher. Ähnlich ist die Situation im Mittelfeld. Vidals Verhältnis zu Jupp Heynckes ist richtig gut. Spielt der Chilene allerdings weiterhin so durchwachsen, droht auch hier Unruhe.

Der Weg ist trotz allem immer noch weit

Das Trainerteam ist erfahren. Wenn jemand dieses Konfliktpotenzial in den Griff bekommt, dann dürfte dies der 72-Jährige Tripletrainer sein. Taktisch ist die Herausforderung ohnehin noch viel größer. Ja, der FC Bayern hat Borussia Dortmund verdient geschlagen. Auch Leipzig besiegte man in der Bundesliga deutlich, im Pokal ab der zweiten Halbzeit ebenfalls verdient.

Doch die Ergebnisse können täuschen. Hummels, Boateng und Heynckes deuteten zuletzt an, dass man noch lange nicht da sei, wo man hin wolle. Damit haben sie alle recht. Leipzig bekam man im Auswärtsspiel erst in Überzahl in den Griff. Vorher war RB das bessere Team mit den klareren Chancen. Im Rückspiel begann man konzentriert und dominant, allerdings war die Partie hier schon nach rund 15 Minuten beendet. Auch der extrem schwächelnde BVB hat derzeit keine Aussagekraft für das Niveau des FC Bayern in Europa.

Die Dortmunder sind taktisch so schwach wie schon lange nicht mehr und ließen Räume gegen den Rekordmeister, die eigentlich zu noch viel mehr Gegentoren hätten führen müssen. Und doch schafften sie es, am Ende zumindest eine ausgeglichene Statistik zu erzwingen. Wenn man ehrlich ist, kann diese Partie auch 4:5 für den FC Bayern enden und das ist nicht der Anspruch des Heynckes-Fußballs.

Trotzdem – und das muss einfach gesagt werden – ist der Trend in München ein extrem positiver. Vor einigen Wochen glaubte niemand daran, dass die Münchner diese Wochen vor der Länderspielpause schadlos überstehen. Jetzt haben sie aus 5 Punkten Rückstand auf Borussia Dortmund 6 Punkte Vorsprung gemacht.

Jupp! Jupp! Hurra! Das Pressing ist wieder da!

Es ist endlich eine Entwicklung zu sehen und das ist Jupp Heynckes und Peter Hermann zu verdanken. Bayern spielt druckvoller, ist sicherer im Passspiel und speziell das variable Pressing ragt heraus. Der Rekordmeister spielt gegen den Ball zwischen 4-3-3 und 4-2-3-1 alles, was es so gibt und variiert dabei auch die Höhe und den Druck sehr gekonnt.

Lassen sich die Roten etwas fallen, agieren sie meist im 4-2-3-1, das im defensivsten Fall auch zum 4-5-1 werden kann. Meist bewegen sie sich dann Raum- und Ballorientiert, wenn nötig aber auch mal Mannorientiert. Gerade in den längeren Ballbesitzphasen des BVB war gut zu beobachten, wie die Bayern immer wieder die Räume im Zentrum zuschoben. Javi Martínez ist dabei das Herz des Spiels.

Der Spanier bewegt sich sehr klug und versteht es, die Räume zu schließen, die seine beiden Achter zwangsweise hinterlassen. Genauso funktioniert das Spiel aber auch andersherum, wenn die Achter Martínez unterstützen und so die Zonen vor der Abwehr abdecken, die beim BVB beispielsweise immer wieder offen waren. Das 4-1-4-1 funktioniert deshalb bisher so gut, weil Martínez, Thiago und der jeweilige Achter ein sehr flexibles und individuell starkes Dreieck bilden, das in seinen Bewegungen taktisch gut abgestimmt ist.

Gehen die Bayern ins Angriffspressing, stehen sie nicht weniger strukturiert und kompakt. Dort gibt es dann auch deutlich mehr Mannorientierungen. Lewandowski versucht den Spielaufbau immer wieder so zu lenken, dass die Viererkette hinter ihm zupacken kann. Dafür ist der Pole viel unterwegs. Die beiden Außenstürmer sorgen – je nachdem wo der Ball gerade ist – dafür, dass die Außenverteidiger unter Druck gesetzt werden. Hier spielen auch Bayerns defensive Flügel eine wichtige Rolle. Kimmich und Alaba schieben regelmäßig nach, um keine Lücken hinter Robben oder Coman zu hinterlassen.

Das Jupp-Pressing ist flexibel und funktioniert gegen das typische 4-2-3-1 der Bundesliga, aber auch gegen Dreier- und Fünferketten extrem gut. Das zentrale Dreieck ist das Herzstück. Mit noch mehr Feinschliff ist da sehr viel Potenzial vorhanden.

Die Achter sind entweder bei den Sechsern des Gegners oder schieben in die Halbräume, um die gegnerischen Außenspieler zu isolieren. Der Großteil der Bundesligisten kommt mit diesem Druck nicht klar. Auf höherem Niveau gab es dennoch hin und wieder Ungenauigkeiten zu beobachten, die dazu führten, dass der offensive Block der Bayern geknackt wurde. Hier ist dann die individuelle Klasse von Javi Martínez, aber auch von Mats Hummels oder Boateng sowie Süle gefragt.

Kaum ein Klub in Europa kann es sich so sehr leisten, im Angriffspressing hin und wieder zu schwächeln, doch die Bayern haben immer die Qualität, Konter des Gegners in letzter Sekunde zu verhindern. Die Entwicklung der Münchner gegen den Ball ist trotz der kleineren Schwächen mehr als positiv. Heynckes und Hermann werden akribisch daran arbeiten, dieses variable Pressing zu verfeinern. Wenn sie das schaffen, winkt den Bayern eine sehr erfolgreiche Saison.

Gegen Augsburg den Rhythmus wieder aufnehmen

Gegen den FC Augsburg wird es eher selten zu Situationen kommen, in denen der FC Bayern sein Pressing trainieren kann. Dafür können sie sich umso mehr daran probieren, wie sie eine tiefstehende und aggressive Mannschaft spielerisch besiegen. Auch hier gab es in der aktuellen Spielzeit mehrfach Probleme für den Meister. Unter Heynckes gibt es zwar wieder einstudierte Laufwege und klare Abläufe, doch gerade im Zentrum kann man noch mehr erwarten.

Das wird gegen defensiv sehr variable Augsburger auch von Nöten sein. Vor der Saison haben viele – auch ich – den FCA als klaren Abstiegskandidaten gesehen. Zu wenig Qualität im Kader und ein Trainer, der sich in der Anfangszeit sehr schwer tat, seinen Spielern etwas an die Hand zu geben, womit sie Erfolg haben.

Nun wusste die Mannschaft von Manuel Baum aber zu überzeugen. Nach 11 Spieltagen steht sie auf Platz 10 mit 8 Punkten Vorsprung auf Freiburg, die den 16. Platz belegen. Mit 11 Gegentoren haben sie nur 3 mehr kassiert als die Bayern. Das ist auch der Hauptgrund dafür, weshalb sie so gut unterwegs sind.

Baum hat dafür gesorgt, dass die Augsburger defensiver agieren. Das spiegelt sich vor allem auf den Außenpositionen wieder, wo die Außenverteidiger deutlich weniger Risiko eingehen. Der FCA steht aber nicht nur tief und verteidigt mit einer hohen Grundintensität, sondern zeigt auch taktisch, dass er dieses System durchaus beherrscht.

Die Augsburger verteidigen nicht nur leidenschaftlich, sondern zeigen auch ein sehr gutes Verständnis dafür, wo der Gegner verwundbar ist. Sie lenken den gegnerischen Spielaufbau bewusst in Zonen, wo sie am ehesten zupacken können. So ein bisschen ist das die typische Underdog-Taktik, die die überlegene Mannschaft auf das eigene Niveau herunterziehen soll. Aber es funktioniert und zwar so gut, dass alle Zweifler bis jetzt verstummt sind.

Für die Bayern ist es deshalb wichtig, die nötige Konzentration an den Tag zu legen. Wenn sie ihr Spiel auf den Platz bekommen, wird der FCA keine Chance haben. Es braucht auf der einen Seite Geduld und Ruhe, um eine sichere Ballzirkulation zu erzeugen und Augsburg rennen zu lassen. Auf der anderen Seite ist aber auch Tempo wichtig. Seitenverlagerungen, Tempoverschärfungen in den richtigen Augenblicken und auch die Geschwindigkeit des Spiels immer wieder zu variieren, werden das Grundrüstzeug für einen Heimsieg sein.

Der FC Bayern muss gegen Augsburg wieder den Rhythmus aufnehmen und wird dabei auf eine sehr aggressive Mannschaft treffen, die durchaus in der Lage ist, das Spiel zu intensivieren und dem Meister einiges abzuverlangen.

Expertentipp und die wichtigsten Statistiken müssen aus Zeitgründen diese Woche leider wegfallen, sind beim nächsten Mal aber wieder dabei.